Zur Erzeugung von Strom mittels Kernspaltung in Kernkraftwerken ist ein entsprechender Brennstoff notwendig, der in Form von Brennelementen im Reaktor eingesetzt wird. Diese Brennelemente der Kernkraftwerke haben nach mehreren Betriebsjahren ausgedient und werden ausgetauscht. Bis 2005 war die Wiederaufarbeitung von Brennelementen ein gesetzlich vorgesehener Entsorgungsweg, bis 1994 sogar der vorgeschriebene. Die verbrauchten Brennelemente wurden dazu nach Frankreich und Großbritannien transportiert und dort wiederaufgearbeitet. Neben dem wiederverwertbaren Kernbrennstoff in den Brennelementen fallen bei der Wiederaufarbeitung auch radioaktive Abfälle an, zu deren Rücknahme sich die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich verpflichtet hat. Mit dem sicheren und zuverlässigen Transport der hochradioaktiven Abfälle in CASTOR®-Behältern nach Deutschland wird diese Verpflichtung erfüllt.
Diese Transporte hatten bis 2011 das Transportbehälterlager Gorleben als Ziel, in dem sich deshalb 108 Transport- und Lagerbehälter mit verglasten hochradioaktiven Spaltproduktlösungen aus der Wiederaufarbeitungsanlage im französischen La Hague befinden. Im Zusammenhang mit dem Neustart der Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle und dem Beschluss des Standortauswahlgesetzes (StandAG) 2013 wurde beschlossen, dass keine Wiederaufarbeitungsabfälle mehr dorthin angeliefert werden dürfen. Die noch im Ausland verbliebenen Abfälle müssen stattdessen in Zwischenlager an den Kernkraftwerksstandorten verbracht werden. Darunter sind 20 Castor® HAW28M Behälter mit hoch radioaktiven Abfällen aus der britischen Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield, die auf die Zwischenlager an den Standorten Biblis (Hessen), Brokdorf (Schleswig Holstein) und Isar (Bayern) aufgeteilt werden. Dazu kommen noch fünf Behälter mittelradioaktive verglaste Abfälle aus La Hague, die am Standort Philippsburg (Baden Württemberg) gelagert werden sollen.
Bei den Abfällen, die in den Behältern transportiert und in den Zwischenlagern bis zur Verbringung in ein Endlager für hochradioaktive Abfälle aufbewahrt werden, handelt es sich um verglaste Spaltproduktlösungen, die bei der Wiederaufarbeitung anfallen. Bei der Wiederaufarbeitung werden die verbrauchten Brennelemente mechanisch zerkleinert und der Kernbrennstoff in einem chemischen Verfahren in wiederverwertbare Kernbrennstoffe sowie Abfälle getrennt. Rund 95 Prozent dieses Abfalls sind schwach- oder mittelradioaktiv, die restlichen 5 Prozent sind hoch radioaktiv. Zur ersten Gruppe gehören u.a. die Brennstabhüllrohre und die Strukturteile der Brennelemente, die gesondert aufbereitet und zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls nach Deutschland, in das zentrale Zwischenlager Ahaus zurückgeführt werden. Der hoch radioaktive Teil der Abfälle besteht aus den Spaltprodukten – sozusagen die „Asche“ der Kernspaltung – und den so genannten Transuranen – Elemente höherer Ordnungszahl als Uran, die im Reaktor durch Neutroneneinfang „erbrütet“ werden. Spaltprodukte und Transurane machen dabei rund vier Prozent des aufgelösten Kernbrennstoffs aus, sind aber hoch radioaktiv und wärmeentwickelnd und werden als HAW (Highly Active Waste) bezeichnet. Die restlichen 96 Prozent des Kernbrennstoffs bestehen aus Uran und Plutonium unterschiedlicher Isotope und werden wiederverwertet.
Der flüssige Abfallstrom aus Spaltprodukten und Transuranen wird verglast, d.h. in einer stabilen Matrix aus einem Glasmaterial fixiert und verfestigt. Bei der Verglasung werden die radioaktiven Stoffe der Abfallmasse bei ca. 1.100 °C mit einem Glasgranulat zu einem homogenen Produkt verschmolzen. Dieses weist eine hohe chemische Stabilität auf und ist beständig gegen Strahlung. Dadurch ist ein sicherer Einschluss der radioaktiven Stoffe über lange Zeiträume gewährleistet. Die noch flüssige Glasmasse wird in einen Edelstahlbehälter, die sogenannte Kokille, gefüllt und erstarrt beim Abkühlen. Anschließend wird die HAW-Kokille (CSD-V) mit einem aufgeschweißten Edelstahldeckel verschlossen. Die zylinderförmige Glaskokille hat einen Durchmesser von 43 Zentimeter und eine Höhe von 1,34 Meter. Sie kann ca. 400 Kilogramm Glasprodukt aufnehmen.
Die Qualität und die Eigenschaften einer Glaskokille werden durch den Herstellungsprozess bestimmt. Dieser unterliegt einer mehrfach gestaffelten Kontrolle – durch die Qualitätssicherungsorganisation des Anlagenbetreibers, durch die zuständigen staatlichen Kontrollorgane und durch die für die Endlagerung von radioaktiven Stoffen zuständigen deutschen Behörden und ihre unabhängigen Sachverständigen. Diese öffentliche Aufsicht und Kontrolle gewährleistet die Einhaltung der von den deutschen Behörden festgelegten Randbedingungen für die Rücknahme der Abfälle und für die Zwischenlagerung in den deutschen Zwischenlagern. So kontrollierte beispielsweise die zuständige deutsche Genehmigungsbehörde die Einhaltung der konkret festgelegten Eigenschaften der Kokillen, werden Inspektionen vor Ort durchgeführt und die Tätigkeit der eingeschalteten Stellen für die Qualitätssicherung geprüft.
Aktuell stehen Transporte aus der britischen Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield an. Bei diesen Transporten wird eine Kombination von See- und Bahntransport genutzt. Der Seetransport vom englischen Hafen Barrow-in-Furness bis zu einem deutschen Seehafen wird von Schiffen der zur britischen INS gehörenden PNTL-Flotte durchgeführt. Die drei in Frage kommenden Schiffe verfügen über die höchste Sicherheitsklasse für den Seetransport hochradioradioaktiver Stoffe (INF3). Beim Transport 2020 in das Zwischenlager Biblis kommt die Pacific Grebe zum Einsatz. Sie wurde im Jahr 2010 in Dienst gestellt und ist damit das jüngste Schiff der PNTL-Flotte.
Vom deutschen Seehafen nach Biblis werden die Behälter mit der Bahn auf Spezialwaggons für hochradioaktive Stoffe und Abfälle transportiert, die das Gewicht der über 100 Tonnen schweren Behälter gleichmäßig verteilen. Die Waggons verfügen über exakt auf die zu transportierenden Behälter einstellbare Transportgestelle sowie eine Schutzhaube zum Schutz vor Verschmutzungen während der Bahnfahrt.
Die hochradioaktiven Abfälle selbst sind dabei in den bewährten Transport- und Lagerbehältern CASTOR® HAW28M sicher verpackt. Sie dienen auch der Aufbewahrung im Zwischenlager. In den Behältern ist das radioaktive Material sicher eingeschlossen und die Strahlung wird soweit abgeschirmt, dass die gesetzlich zulässigen Werte zuverlässig unterschritten werden. Der Behälter fasst 28 Kokillen und hat beladen ein Gesamtgewicht von 115 Tonnen. Der Transport von Sellafield nach Biblis umfasst sechs Behälter.
Gefertigt werden die Behälter aus einem Spezialeisenguss. Die Dichtheit des Behälterverschlusses ist während der Zwischenlagerung durch ein Doppeldeckelsystem sichergestellt. Um größtmögliche Sicherheit zu gewährleisten, sind die Behälter so ausgelegt, dass diese selbst extremen Unfallszenarien standhalten. Der Nachweis wurde in aufwendigen Versuchen und Berechnungen erbracht. Neue Behältertypen werden vom Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE, ehemals BfE) mit Einbindung der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) zugelassen und entsprechen den Bestimmungen der International Atomic Energy Agency (IAEA).
Organisatorische, technische und personelle Maßnahmen garantieren einen sicheren Rücktransport des radioaktiven Materials nach Deutschland. Die Konstruktion der Transportbehälter und umfangreiche Kontrollen zur Einhaltung der Grenzwerte vom Beladen bis zum Eintreffen im Zwischenlager stellen sicher, dass für die Bevölkerung und das Begleitpersonal keine Gefährdung besteht. Das hat die Gesellschaft für Anlagen und Reaktorsicherheit (GRS), Beratungsorgan des Bundesumweltministeriums, bestätigt. Das eingesetzte Begleitpersonal ist für den Transport besonders geschult.
Unterschiedliche Institutionen prüfen und genehmigen die zahlreichen Ablaufschritte – von der Produktion der Kokillen über die Beladung der Transport- und Lagerbehälter und deren Transport bis zur Einlagerung im Zwischenlager. Die wichtigsten Schritte dabei sind: Produktionskontrollen bei der Herstellung der Kokillen durch französische bzw. britische Behörden und die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), Transportgenehmigung für Deutschland nach § 4 Atomgesetz durch das BASE, Beladung des Transport- und Lagerbehälters unter Aufsicht unabhängiger Sachverständiger der für das jeweilige Standortzwischenlager zuständigen Aufsichtsbehörde, Schienentransport in Deutschland unter Aufsicht des Eisenbahn¬Bundesamts (EBA), Zustimmung zur Einlagerung durch die für das Standortzwischenlager zuständige Aufsichtsbehörde nach Prüfung, Einlagerung im Zwischenlager unter Aufsicht von unabhängigen Sachverständigen der für das Standortzwischenlager zuständigen Aufsichtsbehörde.
Weiterführende Informationen finden Sie hier:
Rückführung von deutschen Wiederaufarbeitungsabfällen (GNS)
Rücknahme radioaktiver Abfälle aus der Wiederaufarbeitung (BGZ)
Rückführung von CASTOR-Behältern: Auswertung von Messdaten (GRS)
KernD-Broschüre: „Rücknahme von Abfällen aus der Wiederaufarbeitung“
KernD-Broschüre: „Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle in Deutschland“