Geschichte der Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle in Deutschland

November 2015

1957 Die Deutsche Atomkommission weist auf die Notwendigkeit hin, radioaktive Abfälle sicher beseitigen zu können.
1963 Die Bundesanstalt für Bodenforschung empfiehlt, alle Arten von Abfällen in Steinsalzformationen endzulagern.
1964 Die Bundesregierung erwirbt das Salzbergwerk Asse II und überträgt es auf die bundeseigene Gesellschaft für Strahlenforschung (GSF) zur Endlagerforschung.
1974 Das Bundesforschungsministerium legt ein Konzept eines nuklearen Entsorgungszentrums (NEZ) vor, mit Wiederaufarbeitung, Konditionierung und Endlagerung an einem Standort.
1974 Die Kernbrennstoff-Wiederaufarbeitungs-Gesellschaft mbH (KEWA) schlägt in ihrer Studie zur Standortauswahl vier Standorte vor; Gorleben ist nicht darunter, weil es in einem ausgewiesenen Ferien und Naherholungsgebiet und nahe der innerdeutschen Grenze liegt. Vorangegangen ist ein mehrstufiger Auswahlprozess für Standorte im gesamten Bundesgebiet anhand eines Kriterienkatalogs, der Umwelt-, Sicherheits- und Infrastrukturkriterien umfasste.
1976 Das Niedersächsische Wirtschaftsministerium hat Einwände gegen mehrere KEWA-Standorte und schlägt Alternativen vor, darunter Gorleben. Der Interministerielle Arbeitskreis (IMAK) der niedersächsischen Landesregierung führt einen breiten Auswahlprozess mit anfangs 140 Salzstrukturen durch, an dessen Ende vier Standorte stehen, darunter Gorleben.
1977 Die niedersächsische Landesregierung entscheidet sich am 22. Februar für Gorleben. Der betroffene Landkreis Lüchow-Dannenberg begrüßt das Vorhaben und richtet die „Gorleben-Kommission“ ein als Forum für die am Vorhaben beteiligten Institutionen, Lokalpolitiker und die Öffentlichkeit. Am 5. Juli akzeptiert ein Kabinettsausschuss der Bundesregierung die Standortentscheidung der Landesregierung trotz ihrer Bedenken wegen der Nähe zur innerdeutschen Grenze.
1979 Angesichts der Widerstände gegen das Nukleare Entsorgungszentrum (NEZ) veranstaltet unter Teilnahme der Öffentlichkeit die niedersächsische Landesregierung von 28. März bis 3. April das internationale Gorleben-Hearing; Ergebnis des Hearings ist, dass ein Entsorgungszentrum an einem Standort sinnvoll ist.
1979 Der Bau der Wiederaufarbeitungsanlage wird als „politisch nicht durchsetzbar“ abgelehnt, Gorleben kommt nur noch als Zwischen- und Endlagerstandort in Betracht. Die übertägige Erkundung des Salzstocks Gorleben beginnt.
1983 Das Bundesinnenministerium stellt „Sicherheitskriterien für die Endlagerung radioaktiver Abfälle in einem Bergwerk“ auf.
1983 Auf der Basis eines Zwischenberichts der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) über die positiven Ergebnisse der übertägigen Erkundung beschließt die Bundesregierung die untertägige Erkundung des Salzstocks Gorleben.
1986 Beginn der Abteufung von Schacht 1: Schacht 2 folgt im Jahr 1987; in einer Tiefe von 840 m werden die beiden Schächte 1996 verbunden.
1995 Der erste Transport eines CASTOR®-Behälters ins Transportbehälterlager Gorleben wird von großen Protestaktionen durch Kernenergiegegner begleitet. Die BGR kommt in ihrer Studie über potentielle Ersatzstandorte zu dem Ergebnis, dass aus geowissenschaftlicher Sicht keine Notwendigkeit besteht, Ersatzstandorte zu Gorleben zu untersuchen.
1999 Das Bundesumweltministerium setzt eine Expertenkommission ein, den „Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte (AkEnd)“, der ein Verfahren für die Suche und die Auswahl von Standorten zur Endlagerung aller Arten von radioaktiven Abfällen in Deutschland entwickeln soll.
2000 Die Erkundung des Salzstocks Gorleben wird am 1. Oktober für mindestens 3, höchstens 10 Jahre zur Klärung von konzeptionellen und sicherheitstechnischen Zweifelsfragen ausgesetzt (Moratorium).
2002 In seinem Abschlussbericht konzipiert der AkEnd ein Verfahren für eine neue Standortsuche.
2005 Das BfS legt seinen Synthesebericht „Konzeptionelle und sicherheitstechnische Fragen der Endlagerung radioaktiver Abfälle – Wirtsgesteine im Vergleich“ vor und kommt zu dem Ergebnis, dass es kein Wirtsgestein gibt, das grundsätzlich immer eine größte Endlagersicherheit gewährleistet; die Zweifelsfragen bzgl. der konzeptionellen Grundfragen der Endlagerung und der generellen Eignung von Salz sind ausgeräumt.
2010 Der Bundestag setzt einen Untersuchungsausschuss ein, der Vorwürfe prüfen soll, der Zwischenbericht der PTB von 1983 sei auf politischen Druck geändert worden. Die „Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle“ werden vom Bundesumweltministerium neu gefasst. Das Erkundungsmoratorium für Gorleben wird aufgehoben. Die GRS wird als federführende Organisation mit einer „Vorläufigen Sicherheitsanalyse für den Standort Gorleben“ (VSG) beauftragt.
2012 Im Zuge des beschleunigten Ausstiegs aus der Kernenergie sucht die Bundesregierung auch in der Endlagerfrage einen Kompromiss mit der Opposition. Die zwei Jahre zuvor wieder aufgenommene Erkundung von Gorleben wird gestoppt.
2013 Der Gorleben-Untersuchungsausschuss des Bundestags legt seinen Abschlussbericht vor und stellt u. a. fest, dass die Entscheidung von 1983 zur untertägigen Erkundung des Salzstocks allein auf der Grundlage fachlicher Bewertungen getroffen wurde; das Minderheitsvotum widerspricht dem.
2013 Am 27. Juli tritt das Standortauswahlgesetz (StandAG) in Kraft, mit dem eine neue Standortauswahl ermöglicht werden soll. Die GRS veröffentlicht den Synthesebericht zur Vorläufigen Sicherheitsanalyse für den Standort Gorleben.
2014 Am 22. Mai nimmt die Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ ihre Arbeit auf. Bund und Land Niedersachsen einigen sich auf einen stark reduzierten Offenhaltungsbetrieb für das ehemalige Erkundungsbergwerk Gorleben.