Endlagerung hochradioaktiver Abfälle in Deutschland

Juli 2017

Eng verknüpft mit der öffentlichen Auseinandersetzung um die Nutzung der Kernenergie ist die Diskussion um das Thema Endlagerung. Verantwortlich für die Endlagerung ist der Bund. Der größte Teil der in Deutschland anfallenden radioaktiven Abfallmenge, die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle, wird künftig im Endlager Konrad eingelagert. Das als Endlager genehmigte ehemalige Eisenerzbergwerk wird seit 2007 dafür umgebaut. Offen ist, an welchem Standort die hochradioaktiven, wärmeentwickelnden Abfälle (HAW) endgelagert werden sollen. Sie enthalten ca. 99 Prozent der gesamten Radioaktivität.

Im April 2013 haben sich Bund und Länder in einer parteiübergreifenden Einigung verständigt, die Endlagerfrage neu zu regeln. Das „Standortauswahlgesetz für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle“ (StandAG) sieht eine neue bundesweite Suche nach einem geeigneten Endlagerstandort für hochradioaktive, wärmeentwickelnde Abfälle (HAW) in einem mehrstufigen Verfahren vor und ist im Juli 2013 in Kraft getreten.

Als ersten Schritt hat das Gesetz die Einrichtung einer Kommission vorgesehen, die Grundsatzfragen beantworten und Anforderungen festlegen sollte. Am 10. April 2014 wurde die Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe offiziell vom Deutschen Bundestag eingesetzt. Die Kommission setzte sich zusammen aus Vertretern von Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Am 5. Juli 2016 übergab die Kommission ihren Abschlussbericht mit der Empfehlung des Entsorgungspfades geologische Tiefenlagerung mit Option der Reversibilität, technisch-wissenschaftlicher Entscheidungskriterien sowie eines umfassenden Beteiligungsverfahrens für die Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle an Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung. Die im Bericht enthaltenen Vorschläge und Empfehlungen sind in eine so genannte Formulierungshilfe der Bundesregierung eingeflossen, die die Bundestagsfraktionen bei der Erarbeitung eines Gesetzentwurfes zur Fortentwicklung des Standortauswahlgesetzes unterstützt hat. Die Formulierungshilfe wurde am 21. Dezember 2016 vom Bundeskabinett beschlossen. Das „Gesetz zur Fortentwicklung des Gesetzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärmeentwickelnde radioaktive Abfälle und anderer Gesetze“ wurde schließlich am 23. März 2017 vom Bundestag und am 31. März 2017 vom Bundesrat beschlossen.

Die eigentliche Standortauswahlwird von der neuen Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH als Vorhabenträger durchgeführt. Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde ist das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE). Der im Gesetz vorgesehen Pfad für die Entsorgung ist die Endlagerung in tiefen geologischen Formationen in einem für diese Zwecke errichteten Endlagerbergwerk mit dem Ziel des endgültigen Verschlusses und mit Reversibilität in Form einer Rückholbarkeit der Abfälle während der Betriebsphase und der Vorkehrung für eine mögliche Bergbarkeit nach Verschluss des Endlagerbergwerks. Eine Rückholung oder Bergung ist aber nicht beabsichtigt. Für die Standortauswahl für ein solches Endlager zur geologischen Tiefenlagerung sind drei Phasen vorgesehen: 

  • in der ersten Phase sollen ungeeignete Gebiete gemäß der vereinbarten Ausschlusskriterien und Mindestanforderungen vom weiteren Verfahren ausgeschlossen sowie unter Hinzuziehung der Abwägungskriterien und von repräsentativen Sicherheitsuntersuchungen mögliche Standortregionen für eine übertägige Erkundung identifiziert werden; 
  • in einer zweiten Phase werden nach der entsprechenden gesetzlichen Entscheidung von Bundestag und Bundesrat mehrere Standorte übertägig erkundet und nach entsprechender Anwendung der Kriterien mögliche Standorte für eine untertägige Erkundung identifiziert; 
  • als dritte Phase sollen nach Entscheidung von Bundestag und Bundesrat Standorte untertägig erkundet und nach einem Vergleich auf Grundlage umfassender vorläufiger Sicherheitsuntersuchungen von Bundestag und Bundesrat der Endlagerstandort bestimmt werden. 

Für den gesamten Auswahlprozess sind  umfangreiche regionale und nationale Beteiligungsmöglichkeiten für die Öffentlichkeit sowie umfangreiche Rechtsschutzmöglichkeiten vorgesehen. Die Formulierungshilfe der Bundesregierung folgt dieser Systematik. Auf Bundesebene soll das Nationale Begleitgremium mit 18 Mitgliedern das Standortauswahlverfahren und insbesondere die Öffentlichkeitsbeteiligung dazu begleiten. Bereits Ende Juli 2016 wurde das nationale Begleitgremium gesetzlich verankert, damit es auch die gesetzgeberische und administrative Übergangsphase bis zum Beginn des eigentlichen Standortauswahlverfahrens begleiten kann. Zu diesem Zweck wurde die Hälfte der Mitglieder Ende November 2016 von Bundestag und Bundesrat eingesetzt.
Wesentliches Gremium der Öffentlichkeitsbeteiligung, die in Ergänzung zu den klassischen Beteiligungsformen im Verwaltungsverfahren – Stellungnahmeverfahren und Erörterungstermine – geschaffen wird, werden die Regionalkonferenzen sein. Sie werden in jeder Region eingerichtet, die zur übertägigen Erkundung vorgeschlagen wird. Sie sollen aus einer Vollversammlung bestehen, an der alle Bürger des betroffenen Gebiets teilnehmen können sowie einem Vertreterkreis. Als zusätzliche Beteiligungsformate werden die Fachkonferenz Teilgebiete für die erste Phase des Verfahrens sowie die Fachkonferenz Rat der Regionen aus Vertretern der Regionalkonferenzen eingerichtet.

Im Sinne des Berichts der Endlagerkommission bildet die Standortauswahl die erste Etappe der Endlagerung, an die sich mit der bergtechnischen Erschließung des Standortes (einschließlich des vorlaufenden Genehmigungsverfahrens), der Einlagerung der radioaktiven Abfälle, der Beobachtung vor Verschluss des Endlagerbergwerks und seines Verschlusses sowie dem Zustand des verschlossenen Endlagerbergwerks fünf weitere Etappen anschließen.

Das bisherige Erkundungsbergwerk Gorleben soll im neuen Auswahlverfahren gleichberechtigt berücksichtigt werden. Transporte mit Abfällen aus der Wiederaufarbeitung in das Zwischenlager Gorleben finden nicht mehr statt und werden nach der Vereinbarung des Bundesumweltministeriums und der Bayerischen Staatsregierung auf die Standorte Biblis, Brokdorf, Isar und Philippsburg gemäß des Konzepts des BMUB verteilt werden.

Wissenswertes zur Endlagerung

Bei wem liegt die Zuständigkeit für die Endlagerung in Deutschland?

Nach dem Atomgesetz ist in Deutschland für die Endlagerung radioaktiver Abfälle der Bund verantwortlich. Innerhalb der Bundesregierung liegt die Zuständigkeit für die Standortfestlegung, die Planung, die anlagenbezogene Forschung und Entwicklung, die Erkundung und Errichtung, den Betrieb sowie die Stilllegung von Endlagern für radioaktive Abfälle beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und dem ihm nachgeordneten Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE). Dieses Bundesamt wurde zum 1. September 2014 gegründet und entsprechend der Empfehlungen der „Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ im Gesetz vom 30. Juli 2016 mit seiner Funktion als Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde für die nukleare Entsorgung versehen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ist zuständig für die Kernenergiewirtschaft und die grundlagenorientierte Forschung. Ihm nachgeordnet ist die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, die wesentliche geowissenschaftliche Fragestellungen bearbeitet.

Wie viel kostet die Endlagerung und wer bezahlt das?

Bei der Endlagerung gilt das umweltrechtliche Verursacherprinzip nach dem der Erzeuger von Abfällen für die Kosten der Entsorgung im Rahmen des notwendigen Aufwandes aufkommen muss. Abfallverursacher sind die Energieversorgungsunternehmen, Forschung, Medizin und Industrie. Bei den hoch radioaktiven, wärmeentwickelnden Abfällen stammen über 90 Prozent aus dem Betrieb von Leistungsreaktoren, bei den schwach- und mittelaktiven Abfällen gehen 60 Prozent der bekannten erwarteten Abfälle auf die Betreiber von Kernkraftwerken und die kerntechnische Industrie zurück, 40 Prozent liegen bei der öffentlichen Hand. Die bisher getätigten Investitionen für die Erkundung des Salzstocks Gorleben als potenzielles Endlager für hoch radioaktive Abfälle belaufen sich auf circa 1,7 Milliarden Euro. Im Zusammenhang mit dem Beschluss zum beschleunigten Ende der Nutzung der Kernenergie in Deutschland und dem Neubeginn eines Standortauswahlverfahren für ein Endlager für hoch radioaktive Abfälle ist derzeit eine Neuordnung der Finanzierung der Entsorgung auf Grundlage der Empfehlungen der "Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs (KFK)" beabsichtigt. Dabei sollen die für die Entsorgung durch die Betreiber der Kernkraftwerke gebildeten Rückstellungen in einer öffentlich-rechtlichen Stiftung langfristig gesichert werden und zugleich einer Überlastung der Unternehmen vermieden werden. Mit der Neuordnung sollen auch die Bereiche operativer und finanzieller Verantwortung in Übereinstimmung gebracht werden. Deshalb soll die Verantwortung für den Rückbau sowie die dafür vorgesehenen Mittel bei den Betreibern verbleiben. Die gesetzliche und vertragliche Umsetzung der Empfehlungen der KFK ist derzeit in Arbeit.

Was passiert derzeit mit den hoch radioaktiven Abfällen?

Die Entsorgung radioaktiver Abfälle besteht nicht nur aus der Endlagerung, sondern beinhaltet eine ganze Kette von Vorgängen, an deren Abschluss die Endlagerung als geologische Tiefenlagerung stehen soll. So müssen die erzeugten Mengen radioaktiven Abfalls minimiert werden und die Abfälle müssen für Zwischenlagerung, Transport und so weit schon möglich für die Endlagerung konditioniert werden. Konditionierung bedeutet, dass die Abfälle in einen vorgeschriebenen Zustand versetzt und verpackt werden, damit der Schutz von Mensch und Umwelt sicher gewährleistet wird. Derzeit werden die radioaktiven Abfälle je nach Abfallherkunft und Abfallart in Abfalllagern, Zwischenlagern oder Landessammelstellen befristet gelagert. In Deutschland werden bzgl. der Endlagerung zwei Arten von Abfällen unterschieden, solche mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung, die schwach und mittelradioaktiven Abfälle sowie Wärme entwickelnde Abfälle, die hoch radioaktiven Abfälle. Die Entwicklung von Wärme ist eine Folge der in den hoch radioaktiven Stoffen ablaufenden Zerfallsprozesse. Die Radioaktivität der Abfälle nimmt also mit der Zeit ab, indem sich die Strahlungsenergie in Wärme umwandelt, die wiederum an die Umgebung abgegeben wird. Die Radioaktivität und Wärme von abgebrannten Brennelementen, die aus Kernkraftwerken stammen, wird sich während der Zwischenlagerung um rund 90 Prozent verringern. Die Zwischenlagerung ist ein notwendiger Bestandteil des Entsorgungsprozesses, da die Abfälle nicht mit ihrer anfänglichen Wärmeentwicklung in ein Endlager gebracht werden könnten.

Neben den zwei zentralen Zwischenlagern Ahaus und Gorleben – in letzterem lagern vor allem verglaste hoch radioaktive Abfälle aus der Wiederaufarbeitung verbrauchter deutscher Brennelemente im Ausland – bestehen Zwischenlager für die abgebrannten Brennelemente direkt an den Kernkraftwerksstandorten.

Sowohl die verglasten Abfälle als auch die abgebrannten Brennelemente werden in Castor-Behältern gelagert, die an die jeweiligen Abfalltypen angepasst sind. Sie schließen die Abfälle sicher ein, schirmen radioaktive Strahlung ab und führen die Zerfallswärme mit natürlicher Konvektion ab.

Mit Schacht Konrad gibt es doch bereits ein Endlager. Wieso wurde ein zweites überhaupt erkundet bzw. wird neu gesucht?

Bei nuklearen Abfällen wird in Deutschland zwischen schwach- und mittelradioaktiven sowie hoch radioaktiven Abfällen unterschieden. Wie andere Länder setzt Deutschland ebenso auf die getrennte Endlagerung der Abfallarten. Das bietet sicherheitstechnische Vorteile, denn die zwei Abfallarten haben unterschiedliche Eigenschaften. Damit lassen sich die Sicherheitsanforderungen der beiden Endlager optimal an die jeweiligen Abfallkategorien anpassen. Bei der Auswahl und Erkundung des Salzstocks Gorleben wie auch im derzeit geplanten Standortauswahlverfahren für die Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe wird insbesondere die Wärmeentwicklung dieser Abfälle berücksichtigt. In Schacht Konrad werden dagegen zukünftig nur schwach- und mittelradioaktive Abfälle entsorgt, die eine vernachlässigbare Wärmentwicklung aufweisen.

Warum überhaupt ein Endlager? Könnte man die Abfälle nicht dauerhaft an der Oberfläche lagern?

Falls die Abfälle dauerhaft in Hallen oder oberflächennah unter der Erde gelagert würden, müsste man diese für sehr lange Zeit sichern, sowohl technisch als auch durch Bewachung. Allerdings sollte die Entsorgung der radioaktiven Abfälle durch die Generationen erfolgen, die von der Nutzung der Kernenergie profitiert haben. Mit einer abschließenden Lagerung der Abfälle in einer geeigneten tiefen geologischen Formation würde die Sicherheit durch den Abschluss der radioaktiven Stoffe von der Biosphäre und damit von den Menschen durch das Wirtsgestein gewährleistet, in dem die Abfälle gelagert werden. Eine permanente Nachsorge durch kommende Generationen wäre nicht erforderlich. Darüber besteht ein weltweiter wissenschaftlicher Konsens. Die Kommission "Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe" hat in ihrem Abschlussbericht als bevorzugten Pfad für die Entsorgung die Endlagerung in einer tiefen geologischen Formation mit optionaler Reversibitiät empfohlen, also der Möglichkeit einer Rückholung während der Betriebsphase des Endlagers und Vorkehrungen für Bergbarkeit nach Verschluss des Endlagers.

Welches Wirtsgestein ist am besten für die Endlagerung hoch radioaktiver Abfälle geeignet?

Es gibt verschiedene Wirtsgesteine, die als grundsätzlich geeignet für die Endlagerung hoch radioaktiver Abfälle gelten, in Deutschland wären dies Salz, Ton und Kristallin (Gneis, Granit). Da es zwischen den Wirtsgesteinsformationen Unterschiede gibt, ist ein Vergleich nur standortbezogen und im Kontext mit einem angepassten Endlagerkonzept möglich. Die Identifikation eines „bestmöglichen Standorts“, wie sie mit dem neuen Standortauswahlverfahren vorgesehen ist, stellt eine beträchtliche wissenschaftliche Herausforderung dar, insbesondere bei dem beabsichtigten wirtsgesteinsübergreifenden Vergleich und weil nicht nur die Geologie, sondern immer auch ein entsprechend angepasstes Endlager- und Behälterkonzept für eine Langzeitsicherheitsbewertung herangezogen werden muss. Die Realisierung eines „sicheren Endlagers“ nach den hohen Maßstäben des Atomgesetzes wäre an verschiedenen, geeigneten Standorten denkbar. Im Hinblick auf die Wirtsgesteinstypen lässt sich aber sagen, dass den in Deutschland vorkommenden kristallinen Gesteinsformationen wegen Ihrer geringen Größe und Zerklüftung eine eher ungünstige Prognose hinsichtlich ihrer Eignung für ein Endlager beigemessen wird. Bei den potentiell für die Endlagerung geeigneten Tongesteinsformationen, die sowohl in Süd- als auch in Norddeutschland vorkommen, besteht verglichen mit Salz in Deutschland noch weiterer Forschungsbedarf.

Zeigt die Situation im Salzbergwerk Asse nicht, dass Salzstöcke als Endlager ungeeignet sind?

Die Asse ist als ein jahrzehntelang bergbaulich genutzter Salzstock nicht mit einem unversehrten Salzstock vergleichbar, der wie im Fall Gorleben ausschließlich zur Nutzung als Endlager ins Auge gefasst wurde. Durch den Salzabbau wurden in der Asse große Hohlräume geschaffen, die teilweise bis auf wenige Meter an das so genannte Deckgebirge, also die oberhalb der Salzformation liegenden Gesteinsschichten heranreichen. Diese Hohlräume haben zusammen genommen ein Volumen von mehreren Millionen Kubikmetern. Der Gebirgsdruck führte zu Verformungen im Bereich dieser Hohlräume und darüber hinaus teilweise auch zu Brüchen. Würde ein unberührter Salzstock zu einem Endlager ausgebaut, würde man nur einen kleinen Teil des Volumens für das Endlagerbergwerk verwenden. Dieses wäre dann von dem großen Salzvorkommen umgeben und die vergleichsweise kleinen Hohlräume würden nach Ende der Einlagerung verfüllt werden. Beim Salzstock Gorleben beispielsweise handelt es sich um ein großes, unberührtes Salzvorkommen von ca. 14 km Länge, einer maximalen Breite von 4 km und einer Höhe unter der Oberfläche von rund 3 km bei dessen Erkundung alle Maßnahmen mit Blick auf eine mögliche Funktion als Endlager ausgeführt wurden. Im Übrigen erfolgte die Einlagerung von radioaktiven Abfällen in die Asse aus heutiger Sicht ohne ein schlüssiges Einlagerungskonzept und ohne angemessene Dokumentation.

Warum wurde in Deutschland bis Ende 2012 lediglich das Wirtsgestein Salz bzw. der Salzstock Gorleben als mögliches Endlager für hochradioaktive Abfälle untersucht und nicht auch andere Wirtsgesteine wie Ton oder Granit?

Steinsalz-Lagerstätten sind in Deutschland in großer Zahl vorhanden und besitzen für die geologische Tiefenlagerung (Endlagerung) wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle einige besonders günstige Eigenschaften. Steinsalz verhält sich bei Druck plastisch, d. h. es fließt. Das ist von Vorteil für den Einschluss des radioaktiven Materials und den abschließenden Verschluss eines Endlagers. Die gute Wärmeleitfähigkeit von Salz begünstigt die Wärmeabfuhr. Darüber hinaus ist Salz praktisch dicht gegenüber Flüssigkeiten und Gasen. Nicht zuletzt können die umfangreichen geologischen, bergmännischen und technischen Erfahrungen im Salzbergbau in Deutschland für die Tiefenlagerung genutzt werden. Vor diesem Hintergrund konzentrierte man sich auf Salz als Wirtgestein.

Auf dieser Grundlage wurde ein Auswahlverfahren des Bundes (1974-76) und eines des Landes Niedersachsen (1976/77), in dem die potentiell geeigneten Standorte konzentriert waren, durchgeführt und 1977 der Salzstock Gorleben ausgewählt. Vor Aufnahme der Erkundungsarbeiten wurde im Zusammenhang mit dem für Gorleben geplanten Nationalen Entsorgungszentrum die Öffentlichkeit umfassend informiert. Insbesondere das so genannte Gorleben-Hearing mit Beteiligung internationaler Experten und zahlreicher Kritiker war in der damaligen Zeit außergewöhnlich. Ungeachtet der Grundsatzentscheidung für Salz beteiligten sich deutsche Forschungseinrichtungen seit den 1990er Jahren im Auftrag des BMWi an wissenschaftlichen Experimenten und Forschungsarbeiten in Untertagelabors in anderen Wirtsgesteinen, z. B. in Tongestein (Mt. Terri, Schweiz; Bure, Frankreich) und kristallinen Gesteinen (Äspö, Schweden; Grimsel, Schweiz).

Was lässt sich heute über die anderen in Deutschland vorhandenen Wirtsgesteinstypen Ton und Kristallin (Gneis, Granit) sagen?

Grundsätzlich ist eine Endlagerung von hochradioaktiven Abfällen in Deutschland auch in Tongesteinen möglich, es besteht allerdings noch weiterer Forschungsbedarf. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hat für alle potentiellen Wirtsgesteine in Deutschland in drei Studien die so genannten eignungshöffigen Gebiete auf Grundlage der von ihr für die Studienzwecke zugrunde gelegten Kriterien ausgewiesen. Diese Kriterien weichen teilweise von den im Abschlussbericht der Kommission "Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe" empfohlenen geowissenschaftlichen Kriterien ab. Die Studien zu den Wirtsgesteinen Kristallin (1994), Salz (1995) und Ton (2007) sind auf den Internetseiten der BGR verfügbar. Aus der Tonstudie lässt sich ableiten, dass ggf. geeignete Tongesteinsstandorte in Norddeutschland (insbesondere Niedersachsen) sowie Süddeutschland (Bayern, Baden-Württemberg) vorhanden sind. Ggf. geeignete Salzstöcke sind in der norddeutschen Tiefebene konzentriert. Kristallingesteine für die Tiefenlagerung hoch radioaktiver Abfälle sind im Grundsatz besonders in Sachsen und Bayern vorhanden. Aufgrund der Klüftigkeit und Inhomogenität der Vorkommen sind aus Sicht der BGR in Deutschland für die Endlagerung eignungshöffige Kristallinformation nicht zu erwarten.

Sollte die Rückholbarkeit ein wesentliches Kriterium bei der Standortauswahl sein?

Die Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle des Bundesumweltministeriums von 2010 sehen eine Rückholbarkeit der Abfälle für die Dauer des Betriebs des Endlagers vor. Für die Zeit nach dem Verschluss ist die Bergbarkeit der Abfälle für einen Zeitraum von 500 Jahren vorgesehen. Hier sehen die Sicherheitskriterien Anforderungen an die Dokumentation und die Haltbarkeit der Behälter vor. Die Rückholbarkeit bzw. Bergbarkeit der hoch radioaktiven Abfälle ist keine Frage des Standortes, sondern der Ausgestaltung des Tiefenlagers bzw. des Endlager- und Behälterkonzeptes. Möchte man sich die Option erhalten, die Abfälle wieder aus dem Lager entfernen zu können, müssen hierfür Vorkehrungen getroffen werden, die bei der Planung des Endlagers zu berücksichtigen sind. Bei solchen Vorkehrungen ist aber zu beachten, dass die Sicherheit des Endlagers nicht eingeschränkt wird. Die Kommission "Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe" empfiehlt in ihrem Abschlussbericht die Option der Reversibilität als integralen Bestandteil des zu verfolgenden Entsorgungspfades der geologischen Tiefenlagerung in einem Endlagerbergwerk. Die Priorität der Endlagerauslegung soll aber auf der Langzeitsicherheit liegen. Es ist dabei zu beachten, dass die Rückholbarkeit bzw. Bergbarkeit der Abfälle möglich sein soll, aber nicht beabsichtigt ist. Ziel der Entsorgung bleibt der nachsorgefreie Einschluss der Abfälle auf Dauer.

Was bedeutet Rückholbarkeit bzw. Bergbarkeit der Abfälle?

In der deutschen Diskussion wird Rückholbarkeit als geplante bzw. beabsichtigte Möglichkeit der Entnahme von Abfällen bzw. Abfallbehältern aus einem Endlager definiert. In den Sicherheitsanforderungen des Bundesumweltministeriums (BMUB) aus dem Jahr 2010 ist eine Rückholbarkeit für die Abfälle während der Betriebsphase des Endlagers gefordert, nicht aber nach seinem endgültigen Verschluss. Demgegenüber ist die Bergbarkeit definiert als Voraussetzung einer Notfallmaßnahme, mit der die Abfälle ggf. aus dem verschlossenen Endlager geborgen werden können. In den Sicherheitsanforderungen des BMUB wird eine Bergbarkeit für 500 Jahre nach dem Verschluss des Endlagers festgeschrieben. Dies führt vor allem zu Anforderungen an die künftigen Endlagerbehälter, die 500 Jahre lang handhabbar bleiben sollen. Bei einem künftigen Endlagerkonzept müsste die Handhabbarkeit der Behälter in Verbindung mit dem jeweiligen Wirtsgestein betrachtet und das Endlagerkonzept entsprechend ausgelegt werden. Es ist aber festzuhalten, dass ein potentielles Endlager nicht genehmigt werden könnte, wenn nach menschlichem Ermessen absehbar wäre, dass eine Notfallbergung aus Sicherheitsgründen erforderlich werden könnte.

Besteht ein Widerspruch zwischen Sicherheit und Rückholbarkeit?

Das Ziel der Endlagerung von radioaktiven Abfällen in tiefen geologischen Formationen ist es, die Abfälle langfristig sicher einzulagern und Schadstoffe damit dauerhaft von der Biosphäre zu isolieren. Die Langzeitsicherheit eines Endlagers ist dabei durch gestaffelte passive Sicherheitsbarrieren zu gewährleisten, damit künftigen Generationen keine unangemessenen Belastungen aufgebürdet werden („Nachsorgefreiheit“). Eine langfristige Rückholungsmöglichkeit widerspricht der internationalen Definition der „Endlagerung“ als Anlage zur langfristig wartungsfreien, zeitlich unbefristeten Lagerung von radioaktiven Abfällen ohne beabsichtigte Rückholung. Nach der Betriebsphase sollte ein Endlager seinen endgültigen, passiv sicheren Zustand so früh wie möglich erreichen, um die Nachsorgefreiheit zu gewährleisten.

Eine dauerhafte Rückholbarkeit würde dagegen die langfristige Offenhaltung der Lagerstätte erfordern, die dadurch eher einem geologischen Zwischenlager gleichen würde. Damit würde das Konzept einer sicheren Endlagerung der Abfälle mit Abschluss vor der Biosphäre umso mehr beeinträchtigt, je länger eine Rückholbarkeit gefordert würde.

Ist die Vorstellung nicht vermessen, die Langzeitsicherheit eines Endlagers über einen Zeitraum von einer Million Jahren zu prognostizieren?

Gemessen an der Lebenszeit eines Menschen oder selbst den Zeiträumen, die historisch überblickt werden können, erscheinen eine Million Jahre unvorstellbar. In der Geologie sind eine Million Jahre aber ein eher kurzer Zeitraum. Geologische Abläufe können teils über Milliarden Jahre zurückverfolgt werden, bei Gesteinsformationen wie Ton und Salz häufig über mehrere 100 Millionen Jahre. Aus diesen Erkenntnissen können belastbare Prognosen für die Zukunft erstellt werden – auch für Zeiträume, die sich in unsere historischen Vorstellungen nicht mehr einfügen. Grundlage für die Aussagen über die Langzeitsicherheit sind, neben den technischen Barrieren, Berechnungen über das Verhalten der Gesteinsformation und der Abfälle in der Gesteinsformation, die auf den geologischen Kenntnissen über den Standort beruhen. Ein Endlager ist nur dann genehmigungsfähig, wenn in diesem Nachweiszeitraum auch bei ungünstigen Entwicklungen keine oder nur vernachlässigbar geringe Belastungen für Mensch und Umwelt auftreten können.