atw - Juni 2017

Themen im Juni 2017:

Vergleich der Personendosis bei Einlagerung von bestrahltem Kernbrennstoff in Tiefenlagern
Nachrüstung eines Pool-Spraysystems eines Brennelementlagerbeckens
Cybersecurity in Kernkraftwerken
Validierung der Nuklid-Zusammensetzung von abgebranntem Kernbrennstoff

Fortschritte in Polen auf dem Weg zur Nutzung der Kernenergie

NucNet

Zu den Bauplänen Polens für erste Kernkraftwerke gibt es widersprüchliche Meldungen. Professor Grzegorz Wrochna vom Polnischen Nationalen Zentrum für Kernenergieforschung sieht das Programm auf dem richtigen Weg und erwartet zeitnah die Vorlage eines geeigneten Geschäftsmodells. Das Programm der vorherigen polnischen Regierung sah 6 GW Leistung an zwei Standorten vor. Kürzlich stellte die jetzige Regierung eine Strategie für die Entwicklung vor und betonte, dass das Nuklearprogramm beschleunigt werden muss. Konkrete Ausbauzahlen, an die die Industrie gebunden wird, wurden nicht genannt. Der voraussichtliche Bedarf an Kapazitäten liegt zwischen 4 und 12 GW. Markt und Finanzierungsmöglichkeiten sollen diesen bestimmen. Die größten Risiken liegen nicht in einer Abkehr vom Programm oder der öffentlichen Meinung, sondern von Verzögerungen.

48. Annual Meeting on Nuclear Technology (AMNT 2017): Eröffnungsansprache

Ralf Güldner

In der deutschen Kernenergiepolitik waren die vergangenen zwölf Monate vor allem geprägt von gesetzgeberischen Arbeiten, die nach dem beschleunigten Ausstieg aus der Kernenergie 2011 anstanden. Das gilt insbesondere für die Neuordnung der Finanzierung in der nuklearen Entsorgung. Das andere große politische Arbeitspaket war die Novelle des Standortauswahlgesetzes. Unsere eigentliche Herausforderung ist aber die kerntechnische Kompetenz. Dies gilt für die Forschung, die Industrie, aber vor allem auch für den Staat selbst. Die Frage der Kompetenz betrifft das gesamte Spektrum des wissenschaftlichen und technischen Wissens um die Kerntechnik: die grundlegende Kernforschung, die Reaktorsicherheitsforschung, die Radiochemie, den Strahlenschutz, kerntechnische Anwendungen in Medizin, Industrie und Landwirtschaft etc.

Übersicht zu weltweiten Kernkraftwerksneubauprojekten und globale Perspektiven der Kernenergie

Jean-Pol Poncelet

Kernenergie ist eine wichtige Quelle für die Stromerzeugung in Europa: Die 131 Reaktoren liefern 28 % des Stroms; dies entspricht rund 55 % der emissionsarmen Erzeugung. Der Umsatz der Branche beträgt rund 70 Mrd. € und sichert rund 800.000 Arbeitsplätze. Weltweit wird die Kernenergie ausgebaut, allerdings mit neuen geografischen Schwerpunkten, d.h. insbesondere dem asiatischen Raum. Der Markt in Europa ist gekennzeichnet durch eine allgemeine Unsicherheit für alle Investitionen in der Stromerzeugung aufgrund von politischen Markteingriffen. Ein einheitliches Energiekonzept aller Staaten ist nicht erkennbar.

Monte-Carlo basierter Vergleich der Personendosis in Szenarien zur Einlagerung von Behältern mit bestrahltem Kernbrennstoff in generischen Tiefenlagern

Héctor Saurí Suárez, Bo Pang, Frank Becker und Volker Metz

In der Betriebsphase eines Tiefenlagers für hoch-radioaktive Abfälle wird das Strahlenfeld um einen Lagerbehälter durch die Rückstreustrahlung von den Wänden der Einlagerungsstrecken verändert. Daher ist für einen Vergleich der Einlagerung von abgebranntem Kernbrennstoff in verschiedenen Wirtsgesteinen von Interesse, den Einfluss der unterschiedlichen Wandungsmaterialien auf die Strahlenexposition der dort Beschäftigten zu ermitteln. In dieser generischen Studie wurde die individuelle Dosimetrie von Beschäftigten bei Einlagerung von Behältern mit abgebranntem Kernbrennstoff in Steinsalz und einer Tonformation untersucht.

Die 15. AtG-Novelle zur Umsetzung der EURATOM-Sicherheits-Richtlinie

Christian Müller-Dehn

Die 15. AtG-Novelle (AtG: Atomgesetz) hat das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren mit dem Beschluss des Bundestages 30.3.2017 nunmehr durchlaufen, harrt aber noch der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt. Hintergrund aller Regelungen sind die Ergänzungen der EURATOM-Sicherheits-Richtlinie, die der Europäische Rat im Juli 2014 beschlossen hat und die bis spätestens August 2017 in den nationalen Regelungen der EURATOM-Mitgliedsstaaten zu verankern sind. Da die meisten dieser Ergänzungen jedoch bereits geltender Standard im deutschen Atomrecht waren, waren die für Deutschland umsetzungsbedürftigen Regelinhalte gering. Dies wird ausdrücklich auch in der Gesetzesbegründung festgehalten.

Nachrüstung eines Pool-Spraysystems eines Brennelementlagerbeckens als alternative Strategie der Kühlung für auslegungsüberschreitende Ereignisse

Christoph Hartmann und Zoran Vujic

Aufgrund von Anforderungen an Kernkraftwerke, die über Auslegungsstörfälle hinausgehen, einschließlich derer, wie sie im Jahr 2011 im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi in Japan auftraten, ist eine alternative Kühlungsmethode von Brennelementlagerbecken erforderlich. Diese alternative Kühlung kann durch ein nachgerüstetes abgebranntes Lagerbecken-Sprühsystem nach dem AP1000-Anlagendesign bereitgestellt werden. Im Rahmen des Sicherheits-Upgrade-Programms des Kernkraftwerks Krško entschied sich der Betreiber für die Nachrüstung mit dem Westinghouse-System des AP1000®.

Cybersecurity in Kernkraftwerken und ihre Anwendung in weiteren industriellen Infrastrukturen

Sébastien Champigny, Deeksha Gupta, Venesa Watson und Karl Waedt

Stromerzeugung ist verstärkt auf dezentralisierte und vernetzte Rechensysteme angewiesen. Begriffe wie „Industrial Internet of Things“ des Industrial Internet Consortium (IIC) und „Industrie 4.0“ bahnen sich heute ihren Weg auch in diese bedeutende Industriebranche. Die Risiken einer gezielten Ausnutzung von Fehlern und Schwachstellen nehmen mit der Komplexität, mit dem Vernetzungsgrad und mit der Dezentralisierung zu. Die inhärent strengen Sicherheitsanforderungen der Kernenergiebranche und die langjährige Berücksichtigung von Anforderungen im Bereich Cybersecurity in der Entwicklung von Produkten und in projektbegleitenden Maßnahmen machen sie zum Gold-Standard der Risikovorbeugung. Die gewonnenen Erkenntnisse können für die Ableitung angepasster Sicherheitsvorkehrungen anderer Branchen dienen. Aus diesem Blickwinkel heraus wird das Thema Cybersecurity betrachtet. Der Artikel zeigt gängige Regularien und die Vorgehensweisen zum Schutz vor Cyberangriffen in Kernkraftwerken, sowie auch deren zahlreichen Übertragungsmöglichkeiten auf andere kritische Infrastrukturen, um sie gegen Cyberangriffe und Industriespionage zu wappnen.

Validierung der Nuklid-Zusammensetzung von abgebranntem Kernbrennstoff unter Verwendung von Prozentsatzdifferenzen und einer detaillierten Analyse

Mann Cheol Kim

Die Informationen zur Nuklid-Zusammensetzung von abgebranntem Kernbrennstoff sind in vielen Anwendungen wichtig. In der Reaktorphysik erfordert die Konstruktion des Kernreaktors Informationen zur Nuklidzusammensetzung. Für die Analyse der radiologischen Folgen eines schweren Unfalls ist die Nuklidzusammensetzung eine wichtige Eingangsgröße. Ebenso ist sie eine Einganggröße und Grundlage für die Auslegung eines geologischen Endlagers. Ein weiteres Feld ist die Identifizierung der Herkunft von nicht identifizierten verbrauchten Kernbrennstoffen oder radioaktiven Stoffen.

Zuverlässigkeitsanalyse für die passive Restwärmeabfuhr eines AP1000-Reaktors basierend auf einem „Grey model“

Qi Shi, Zhou Tao, Muhammad Ali Shahzad, Li Yu und Jiang Guangming

Passive Systeme stützen sich auf Naturgesetze der Physik, wie z.B. Schwerkraft, Wärmeleitung oder Trägheit. Beim Generation-III-Reaktor AP1000, einem Generation-III-Reaktor, bieten solche Systeme, verbunden mit einfachen Designstrukturen, inhärente Sicherheitsfunktionen. Unter Betriebsbedingungen werden für passive Sicherheitssysteme Unsicherheiten angegeben. In einigen wenigen Fällen kann eine geringe Abweichung von Konstruktions- oder Betriebsbedingungen die Funktion des Systems beeinträchtigen. Die Zuverlässigkeit eines solchen System wird analysiert.

Auslegung eines Kryomoduls für den CADS Injektor II

Yuan Jiandong, Zhang Bin, Wang Fengfeng, Wan Yuqin, Sun Guozhen, Yao Junjie, Zhang Juihui und He Yuan

Durch den Einsatz von Cryomodule können die Leistungsaufnahme von Beschleunigern und ihre Länge reduziert sowie ein kontinuierlicher Betrieb unterstützt werden. An der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, Institut für moderne Physik wird ein beschleunigergetriebenes subkritisches System (CADS) Injektor II entwickelt, bei dem Cryomodule zum Einsatz kommen. Cryomodule sind äußerst komplexe Systeme und ihre Designoptimierung hängt stark von der Beschleunigeranwendung ab, für die sie bestimmt sind.

Vorschläge für „Saubere Energie“ sind eine Chance für die Kernenergie

John Shepherd

Foratom, der Brüsseler Verband der kerntechnischen Industrie in Europa, hat ein Positionspapier zur EU-Gesetzgebung „Clean Energy for All Europeans“ veröffentlicht. Die Vorschläge zielen darauf ab, das Funktionieren des Energiemarktes zu verbessern und sicherzustellen, dass alle Energietechnologien gleichermaßen verwendet werden können, ohne dass die Klima- und Energieziele gefährdet werden. Wenn Europa eine kohärente und integrative Energiepolitik anstrebt, die alle kohlenstoffarmen Optionen umfasst, muss die Kernenergie mit Berücksichtigung finden.