atw - August/September 2015

Themen im August/September 2015:

European Decommissioning Academy
NucLab Macoule
Vom Leistungsbetrieb über den Nachbetrieb zum Rückbau
Analyse Kugelhaufen gasgekühlter Hochtemperaturreaktor
Japan intensiviert Auslandsengagement

Skizzieren der Zukunft der Kernenergie in der Tschechischen Republik

NucNet

Nachdem die Ausschreibung für neue Reaktoren am tschechischen Standort Temelín im vergangenen Jahr ausgesetzt wurde, hat der Betreiber ČEZ eine breit angelegte Diskussion mit der Regierung zur Frage wann und wo neue Kernkraftwerke errichtet werden sollen, eingeleitet.

NucNet interviewte dazu Petr Zavodsky, Leiter der Neubauabteilung von ČEZ.

Im Juni 2015 verabschiedete das Tschechische Kabinett den nationalen Aktionsplan für die langfristige Zukunft der Kernenergie. Dieser schließt Pläne für neue Blöcke an den vorhandenen Standorten Temelín und Dukovany mit ein. Der Plan umfasst jeweils mindestens einen Neubaublock an beiden Standorten sowie die Option von jeweils einem weiteren Block in Dukovany und Temelín. Aufgrund der derzeit avisierten technischen Lebensdauer und möglichen Stilllegung des ersten Blocks am Standort Dukovany im Jahr 2035, besitzt dieser für Neubauplanungen Priorität.

Woher kommen der Mythen der Kernenergie? Kernenergiekommunikation über die Energiefrage hinaus

John Barrett

Die Meinungsforschung in Kanada kommt zu folgendem Ergebnis: Je mehr Menschen über die Kernenergie wissen, desto eher akzeptieren sie sie. Dies ist natürlich sehr verlockend, um die Öffentlichkeit mit einer Flut von Fakten zu informieren, um sie von der Kernenergie zu überzeugen.

Es es gibt aber einige gute Gründe, weshalb dies nicht sinnvoll ist. Für unsere Branche, mit anteilmäßig mehr Wissenschaftlern und Ingenieuren als vielleicht in jeder anderen Branche, sind die technisch-naturwissenschaftlichen Fakten klar. Wir wissen, was Strahlung ist und wie damit umzugehen ist. Wir kennen Risiken und wissen, wie diese ausgeschlossen oder minimiert werden können. Allerdings gibt es große Lücken zwischen Wissenschaftlern und der breiten Öffentlichkeit, wie diese Themen zu beurteilen sind.

Es ist aber die Frage, wie wir mit der Öffentlichkeit kommunizieren, für die wir nicht glaubwürdig sind und die unserer Technologie mit Angst begegnet? Ich habe durch viele Diskussionen gelernt, dass die Angstmacher am Ende des Tages nicht die Gewinner sein werden. Wenn wir dem Gefühl der Angst in der Öffentlichkeit mit Perspektiven und Chancen begegnen, können wir in der Diskussion bestehen; und wenn Kerntechnik eines bietet, dann sind es Perspektiven und Chancen!

Argentinien: Entwicklung der Kernenergie und Atucha 2

Mauro Nogarin

Im Jahr 2014 haben die Kernkraftwerke in Argentinien etwa 5.257 GWh Strom produziert, bei einem Anteil von 4,05 % an der gesamten Stromproduktion von etwa 129.747 GWh; mit steigendem Trend. Argentinien verfügt derzeit über eine nukleare Produktionskapazität von rund 1.010 MW. Mit kommerzieller Inbetriebnahme der Anlage Atucha 2 werden weitere 745 MW hinzukommen.

Kernkraftwerke werden in Argentinien an zwei Standorten betrieben: Atucha und Embalse. Das Kernkraftwerk Embalse wurde 1984 in Betrieb genommen. Am Standort Atucha ist der Block Atucha 1 seit 1974 in Betrieb. Er ist das erste Kernkraftwerk in Lateinamerika. Der Bau von Atucha 2 begann 1981, schritt langsam fort und wurde im Jahr 1994 aufgrund der allgemeinen Finanzsituation in Argentinien mit 81 % Fertigstellung ausgesetzt. Im Jahr 2003 wurden neue Pläne zur Fertigstellung von Atucha 2 genehmigt. Im Sommer 2014 erreichte Atucha 2 Erstkritikalität. Bau und Inbetriebnahme wurden im Rahmen eines Vertrags mit der AECL abgeschlossen.

Die 14. AtG-Novelle – Spät kommt sie und mit wenig Inhalt, doch sie kommt

Christian Raetzke

Das Bundeskabinett hat am 27. Mai 2015 den Entwurf einer 14. Novelle des Atomgesetzes (AtG) verabschiedet; er soll bis zum Herbst dieses Jahres das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen. Zweck der Novelle ist es, die EU-Richtlinie 2011/70 über einen Gemeinschaftsrahmen für die verantwortungsvolle und sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle vom 19. Juli 2011 umzusetzen. Die Novelle ist seit Jahren in der Diskussion und die in der Richtlinie genannte Umsetzungsfrist (23. August 2013) ist längst abgelaufen. Insofern lohnt sich vielleicht ein Blick darauf, was das Gesetz nun endlich regeln wird und was nicht (oder nicht mehr).

Passive katalytische Rekombiner zur Begrenzung der Wasserstoffkonzentration in koreanischen Kernkraftwerken

Chang Hyun Kim, Je Joong Sung, Sang Juni Ha und In Seon Yeo

Für die Sicherstellung der Containmentintegrität im Verlauf eines schweren Unfalls in einem Kernkraftwerk ist die Begrenzung der Wasserstoffkonzentration unterhalb einer Grenzkonzentration von hoher Bedeutung. Die Unfälle in den Anlagen Three Mile Island und Fukushima haben dies deutlich gezeigt. Obgleich es eine Reihe von technischen Möglichkeiten zur Begrenzung der Wasserstoffkonzentration gibt, bieten passive autokatalytische Rekombinatoren (PAR) deutliche Vorteile, um das Risiko von Wasserstoffdeflagrationen oder -explosionen zu begrenzen, da diese auch unter Bedingungen eines Station-Blackout zuverlässig ihre Funktion gewährleisten. Zur Optimierung des Systems zur Begrenzung der Wasserstoffkonzentration in koreanischen Kernkraftwerken wurden unterschiedliche Typen von PARs installiert. Vorgestellt wird die Implementierung des PAR-Systems sowie Analysen für deren Einsatz im fortgeschrittenen Reaktortyp OPR1000. Verschiedene Unfallszenarien wurden dazu mit dem Code MAAP 4.0.6+ und einem Multi-Compartment-Modell analysiert, um unter konservativen Annahmen Wasserstoffbildung und -entfernung zu ermitteln.

Unterstützung durch die IAEO bei der Entwicklung neuer Forschungsreaktorprojekte

Andrea Borio Di Tigliole, Ed Bradley, Anastasia Zhukova, Pablo Adelfang, Amgad Shokr und Danas Ridikas

Die Projektierung eines Forschungsreaktors ist ein umfassendes Vorhaben, das sorgfältige Vorbereitung, Planung, Umsetzung sowie eine beträchtliche Investition von Geld und Personal erfordert. In den vergangenen Jahren ist das Interesse der Mitgliedsstaaten der IAEO (Internationale Atomenergie-Organisation) an Forschungsreaktorprogrammen deutlich gesteigen und derzeit befinden sich mehrere Forschungsreaktorneubauten in der Umsetzung. Für die meisten beteiligten Länder sind diese Projekte ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung einer kerntechnischen Infrastruktur für Wissenschaft und Technik.

Zur Unterstützung ihrer Mitgliedsstaaten hat die IAEO im Jahr 2012 die Publikation Nuclear Energy Series Report No. NP-T-5.1 veröffentlicht und folgend weitere, die bei der Umsetzung solcher Projekte unterstützen.

Des Weiteren wird die IAEO ihre Mitglieder auch bei der Aus- und Fortbildung von Personal sowie dem Austausch von Wissen und Know-how unterstützen.

Vorgestellt werden die Programme und Maßnahmen, mit denen die IAEO neue Forschungsreaktorprojekte fördert.

Numerische Untersuchung von Kühlmitteltemperaturfluktuationen im oberen Plenum eines DWR mit verschiedenen Austrittsstrukturen

Xiangbin Li und Liu Bin

Zur Analyse und Darstellung der Fluktuationen der Kühlmitteltemperatur im oberen Plenum eines Druckwasserreaktors mit unterschiedlichen Austrittsstrukturen wurden diese auf Basis des Large Eddy Simulation (LES)-Ansatzes numerisch untersucht und mit Messdaten verglichen. Die im Rahmen dieser Arbeit numerisch ermittelten Daten stimmen sehr gut mit den Messwerten überein. In allen untersuchten Fällen ist die Leistungsdichteverteilung mit den größten Temperaturschwankungen im Austrittsbereich auf niederfrequente Fluktuationen konzentriert. Die Temperaturverteilung wird maßgeblich von der Austrittsposition beeinflusst.

Thermohydraulische Analyse eines Kühlmittelverluststörfalls mit kleinem Leck im Bereich des Reaktordruckbehälterdeckels mit dem SPACE-Code

Minhee Kim und Kim Seyun

Analysiert wurde ein Kühlmittelverluststörfall mit kleinem Leck im Bereich des Reaktordruckbehälterdeckels mit dem SPACE-Code. Der SPACE-Code ist ein von der koreanischen Nuklearindustrie entwickelter Thermohydraulikcode. Zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit des SPACE-Codes wurde dieser mit Ergebnissen des MARS-KS-Codes für den genannten Kühlmittelverluststörfall verglichen. Es konnte gezeigt werden, dass eine sehr gute Übereinstimmung der ermittelten thermodynamischen Daten im analysierten transienten Bereich vorliegt. Zudem wurden Sicherheit und Sicherheitsmargen für den Reaktortyp OPR1000 ermittelt. Effekte bei Störungen der Schnellabschaltung und des Hochdruckeinspeisesystems wurden untersucht. Zudem erfolgte eine Sicherheitsbeurteilung der Eingriffsmöglichkeiten für die Operateure. Zudem wurden vergleichende Rechnungen ohne Noteinspeisung durchgeführt. Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen die Leistungsfähigkeit des SPACE-Codes und belegen die ausreichenden Sicherheitsmargen des Reaktorkonzeptes OPR1000 sowie der vorgesehenen Betriebsanweisungen und -prozeduren.

46th Annual Meeting on Nuclear Technology: Key Topic Enhanced Safety & Operation Excellence | Sustainable Reactor Operation Management – Safe, Efficient, Valuable

Erwin Fischer

Zusammenfassender Bericht zur folgenden Topical Session des 46th Annual Meeting on Nuclear Technology, Berlin, 5 to 7 May 2015:

  • Sustainable Reactor Operation Management – Safe, Efficient, Valuable (Erwin Fischer).

Berichte zu den weitern Key Topics sind in der Ausgabe 7 (2015) der atw erschienen bzw. werden in kommenden Ausgaben veröffentlicht.

Fünfte Überprüfungstagung der Vertragsparteien des Gemeinsamen Übereinkommens

Peter Brennecke

Die 5. Überprüfungstagung zum „Gemeinsamen Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle“ fand bei der International Atomic Energy Agency (IAEA) in Wien vom 11. bis 22. Mai 2015 statt. An ihr nahmen 61 der insgesamt 69 Vertragsparteien mit über 700 Delegierten und die OECD/NEA als Beobachter teil.

Im Rahmen dieser regelmäßig stattfindenden Tagung wird alle drei Jahre überprüft, wie die Vertragsparteien die Zielsetzungen des Gemeinsamen Übereinkommens erfüllen, d.h. es werden die jeweilige nationale Entsorgungspolitik und ihre Umsetzung kritisch hinterfragt, der jeweils erreichte sicherheitstechnische Stand erörtert und - wo erforderlich - Verbesserungen angeregt.

Im Ergebnis der 5. Überprüfungstagung stimmen die Vertragsparteien insbesondere darin überein, dass ein konstruktiver Wissens- und Erfahrungsaustausch stattgefunden hat und im Vergleich zur 4. Überprüfungstagung bedeutende Entwicklungen und Fortschritte auf den Gebieten wie Implementierung einer nationalen Entsorgungspolitik und -strategie oder Errichtung und Inbetriebnahme von Zwischen- und Endlagern für abgebrannte Brennelemente und radioaktive Abfälle erzielt worden sind.

Die 6. Überprüfungstagung der Vertragsparteien des Gemeinsamen Übereinkommens ist bei der IAEA in Wien für den Zeitraum vom 21. Mai bis 1. Juni 2018 geplant.

Tieflagerung radioaktiver Abfälle aus geologischer Sicht

Helmut Venzlaff

Für die Tieflagerung radioaktiver Abfälle haben die Geologen dem Salz den Vorzug vor anderen Gesteinskomplexen wie Ton oder Granit gegeben. Mächtige Ablagerungen von reinem Steinsalz sind besonders gut geeignet, radioaktive Abfälle sicher von der Biosphäre abzuschließen, weil sie aufgrund ihrer Plastizität frei von offenen Klüften sind, in denen Flüssigkeiten oder Gase zirkulieren können und weil ihre Wärmeleitfähigkeit höher ist als die anderer Gesteine. Die geologische Stabilität der Salzstöcke kann man aus ihrer erdgeschichtlichen Entwicklung sehen. So ist der Salzstock Gorleben vor etwa 100 Mio. Jahren gebildet worden. Er ist älter als der Atlantik, die Alpen oder der Aufstieg der Mittelgebirge. Er hat dieser langen Zeit Meeresüberflutungen, Gebirgsbildungen, Erdbeben, Vulkanismus und Eiszeiten überstanden, ohne seine Form wesentlich zu ändern. Es sind keine geologischen Gründe zu sehen, warum er nicht weitere Millionen Jahre stabil sein sollte.

Afrikas Entwicklung bei der Kernenergie bietet Potenzial für Investoren

John Shepherd

Afrika steht in Bezug auf Investitionen für Kernkraftwerksneubauten weiterhin im Fokus von potenziellen Investoren. Die Zahl von Staaten mit zivilen Nuklearprogrammen nimmt in dieser Region zu. Treiber der Aktivitäten ist zweifelsohne Südafrika. Die Regierung des Landes hat vor zwei Jahren ein ambitioniertes Neubauprogramm ausgeschrieben und das südafrikanische Energieministerium hatte in diesem Rahmen angekündigt, bis zum Ende des Jahres 2015 einen oder mehrere „strategische Partner“ für die Zusammenarbeit zu benennen. Die südafrikanische Doppelblockanlage Koeberg ist derzeit das einzige Kernkraftwerk auf dem afrikanischen Kontinent – aber die Erwartungen, dass sich dies absehbar ändern wird, mit deutlich mehr Kernenergie zur Versorgung des Kontinents, sind hoch.

Laut dem Anfang dieses Jahres veröffentlichten „The World Nuclear Supply Chain: Outlook 2030, könnten in Afrika und Lateinamerika bis zu 18,2 Milliarden Euro (ca. 20 Milliarden US-$) in den nächsten 15 Jahren in die Kernenergie investiert werden.