atw - Juli 2015

Themen im Juli 2015:

Eröffnungsansprache AMNT 2015
WASA-BOSS: ATHLET-CD Modell
Prüfung mit ferngesteuertem Unterwasserfahrzeug
Severe Accident Management-Ansätze in Europa
Sicherheitsbewertung komplexer Algorithmen

Mit der anstehenden Inbetriebnahme von Mochovce 3 erhält die Kernenergie in der Slowakei Rückenwind

NucNet

Nicola Cotugno, Generaldirektor des slowakischen Energieversorgungsunternehmens Slovenské Elektrárne (SK), sprach mit NucNet über die Fortschritte bei Bau der Reaktoren Mochovce 3 und Mochovce 4 sowie die zukünftige Rolle der Kernenergie bei der Sicherung der Energieversorgung der Slowakischen Republik. Nicola Cotugno ist seit neun Jahren für Slovenské Elektrárne tätig und wurde im Februar 2015 zum Generaldirektor des Unternehmens berufen. Er studierte Maschinenbau an der Universität La Sapienza in Rom und Business an der INSEAD Business School in Frankreich.

46th Annual Meeting on Nuclear Technology (AMNT) 2015: Eröffnungsansprache

Ralf Güldner

Das Annual Meeting on Nuclear Technology (ANMT) ist für Deutschland und Europa eine einzigartige Veranstaltung für die Kerntechnik: sie widmet sich ganzheitlich den Themen und fördert gezielt den internationalen Fachaustausch. Wesentliche Themen der Eröffnungsansprache waren:

  • „Endlagerkommission – Beitrag und Mitwirkung der kerntechnischen Branche“,
  • „Neuer Anlauf zur alternativen Zwischenlagerung“,
  • „Zukunft des Strommarktes und der Stromversorgung“,
  • „Kernenergie in der Welt – zwischen Aufbruch und wirtschaftlichen Herausforderungen“,
  • „Kerntechnisches Know-how in Deutschland“,
  • „Herausforderung Kompetenzerhaltung“ sowie
  • „Kerntechnik in der Spitzenforschung“.

WASA-BOSS: ATHLET-CD Modell zur Analyse schwerer Störfälle für einen generischen KONVOI Reaktor

Polina Tusheva, Frank Schäfer, Yaroslav Kozmenkov, Sören Kliem, Thorsten Hollands, Ailine Trometer und Michael Buck

Im Rahmen des laufenden Forschungsprojektes WASA-BOSS (Weiterentwicklung und Anwendung von Severe Accident Codes – Bewertung und Optimierung von Störfallmaßnahmen) wurde ein ATHLET-CD Modell zur Untersuchung von schweren Störfällen für einen generischen Druckwasserreaktor vom Typ KONVOI entwickelt. Das Modell wurde für die Analyse ausgewählter hypothetischer Kernschmelzszenarien angewendet. Hierbei wurden Gegenmaßnahmen und Notfallmaßnahmen sowohl während der Frühphase des Unfallablaufs, als auch während der Spätphase, wenn die Kernschädigung bereits eingesetzt hat, berücksichtigt. Die Simulationen sind auf den Zeitraum vor Versagen des Reaktordruckbehälters begrenzt. Mögliche Notfallmaßnahmen für Kühlmittelverluststörfälle und für den Totalausfall der Drehstromversorgung (station blackout) werden diskutiert. Im vorliegenden Beitrag wird das ATHLET-CD Modell beschrieben und es werden Ergebnisse ausgewählter Simulationen zum station blackout ohne und mit Anwendung von Notfallmaßnahmen vorgestellt.

46th Annual Meeting on Nuclear Technology: Key Topic | Outstanding Know-How & Sustainable Innovations

Christian Raetzke

Zusammenfassender Bericht zur folgenden Focus Session des 46th Annual Meeting on Nuclear Technology, Berlin, 5 to 7 May 2015:

  • Implementing New Safety Requirements in Europe (Christian Raetzke) Berichte zu den Key Topics
  • “Outstanding Know-How & Sustainable Innovations”,
  • “Enhanced Safety & Operation Excellence” und
  • “Decommissioning Experience & Waste Management Solutions”

werden in kommenden Ausgaben der atw veröffentlicht.

ENIQ-qualifizierte visuelle Prüfungen mit einem ferngesteuerten Unterwasserfahrzeug

Elenko Tsvetkov und Jan Heinsius

Ferngesteuerte visuelle Prüfungen gehören zu den wichtigsten Methoden der zerstörungsfreien Prüfung der Primärkreiskomponenten von Kernkraftwerken. Sie bieten zwei Vorteile: kurze Dauer sowie schnelle Auswertung der Ergebnisse.

AREVA bietet den Betreibern von Kernkraftwerken das „SUSI 420 HD“ System für mechanisierte, nach ENIQ qualifizierten visuelle Prüfungen unter Wasser. Durch den Einsatz von „SUSI 420 HD“ während der Revision können die visuelle Prüfungen so durchgeführt werden, dass sie sich nicht auf den kritischen Pfad auswirken und keine Verzögerungen im Zeitplan verursachen.

Bei dem System handelt es sich um ein ferngesteuertes Unterwasserfahrzeug, das mit einer hochauflösenden Kamera bestückt ist. Durch das geringe Gewicht von 25 Kilogramm kann das Unterwasserfahrzeug ohne Kran eingesetzt werden. Auch die Nutzung der Brennelementlademaschine sowie der Hilfsbrücke ist nicht notwendig. Daher kann die visuelle Prüfung gleichzeitig mit anderen Aktivitäten des kritischen Pfads erfolgen. Der Artikel beschreibt die wichtigsten Prüfparameter für eine mechanisierte visuelle Prüfung: Beleuchtung, Prüfabstand, Betrachtungswinkel, Prüfgeschwindigkeit, Positionsgenauigkeit und die Vermessung von Abweichungen vom Soll-Zustand. Er beschreibt wie das System diesen Anforderungen durch Anpassungen gerecht wird.

Erfahrungen in der Anwendung von Human Factors Engineering bei der Modernisierung von Schnittstellen zwischen Mensch und System

Pedro Trueba Alonso, Luis Fernández Illobre und Fernando Ortega Pascual

Bei vielen laufenden Kernkraftwerken liegen Vorhaben an, die bestehenden Leittechniksysteme (I&C) zu modernisieren und dabei auch die teils mit Problemen behafteten Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine zu überarbeiten.

Tecnatom, S.A. bietet dabei mit seinen Erfahrungen Leistungen an, um bei General- und Detailplanung, Auslegung und Umsetzung der Modernisierung von Leitwarten und der an- gebundenen Leittechnik zu unterstützen.

Die Anwendung von Human Factors Engineering (HFE) ist im Rahmen von Modernisierungsprogramme heute eine wichtige Komponente. Dies einerseits, da regulatorische Regelungen dies fordern und andererseits, da sichergestellt werden muss, dass alle Änderungen an der Anlage, die I&C sowie das Mensch-Maschine-System betreffen, zuverlässig und sicher sein müssen. Vorgestellt werden Erfahrungen bei der Anwendung von HFE bei der Modernisierung der Mensch-Maschine-Schnittstelle. Die dabei gemachten Erfahrungen und erzielten Ergebnisse weisen erhebliche Optimierungen auf sowie positive Effekte für die Endanwender.

Review der aktuellen Severe Accident Management-Ansätze in Europa und Anforderungen für Modellierungen des Computercode ASTEC V2.1

S. Hermsmeyer, L.E. Herranz, R. Iglesias, B. Reer, H. Nowack, M. Sonnenkalb, A. Stefanova, P. Chatelard, L. Foucher, E. Raimond, M. Barnak, P. Matejovic, V. Sanchez, G. Lajtha, Z. Techy, T. Lind, F. Gremme, M. Koch, A. Bujan, A. Grah, G. Pascal, P. Pla, M. Sangiorgi, M. Strucic und M. Vela Garcia

Nach dem schweren Unfall im japanischen Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi wurden Grundlagen der Sicherheit von kerntechnischen Anlagen erneut begutachtet und Arbeiten zu Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet sind seitdem erneut von besonderem Interesse. Im Rahmen von Euratom FP7 wurden daher neue Projekte initiiert.

Das CESAM-Projekt konzentriert sich auf die weitere Verbesserung der Computercodes ASTEC. ASTEC wird gemeinsam von IRSN und GRS entwickelt und ist europäischer Referenzcode für Severe-Accident-Analysen. Projektziel ist eine Verbesserung und Erweiterung für den Einsatz bei der Severe-Accident-Management(SAM)-Analyse der derzeit in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke der Generation II-III bzw. zukünftiger Anlagen in Europa.

Dazu werden die relevanten SAM-Strategien in der EU vorgestellt. Diese basieren auf den im Rahmen der EU-„Stresstests“ veröffentlichten Daten und Informationen. Der Kontext der SAM sowie Strategien werden erläutert.

Für den Computercode ASTEC V2.0 wird die Modellierung diskutiert. Anforderungen an die Folgeversion ASTEC V2.1 werden dargestellt. Diese sind eine notwendige Ergänzung zu den Codeverbesserungen, die sich aus der Konsolidierung der neuen Anwendungsfelder ergeben.

EuGH-Urteil zur Kernbrennstoffsteuer – Nur des Dramas 1. Akt

Tobias Leidinger

Am 4. Juni 2015 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) sein lang erwartetes Urteil in Sachen Kernbrennstoffsteuer gesprochen (Rs. C-5/14). Nachdem bereits der Generalanwalt im Februar dafür plädiert hatte, diese Steuer als mit dem Unionsrecht vereinbar zu bewerten, überrascht das jetzt ergangene Urteil im Ergebnis nicht. Es bestätigt die bereits vom Generalanwalt genannten Argumente, insbesondere in Bezug auf die zu verneinende Beihilferelevanz der Steuer und ihre Vereinbarkeit mit dem EURATOM-Vertrag. Doch final entschieden ist damit noch nichts. Dem 1. Akt (EuGH) folgt bald ein 2. (BVerfG). Kurz: Das Drama um die Steuer geht weiter.

Sicherheitsbewertung von komplexen Algorithmen für Human Errors in Kernkraftwerken (KKW) unter Berücksichtigung physiologischer Zyklen

Hyo Sung Cho and Tae Ho Woo

Menschliche Fehler in Zusammenhang mit Stör- und Unfällen in Kernkraftwerken werden unter Berücksichtigung von Durchlaufzeiten analysiert. Die Entscheidungsfindung wird simuliert unter Verwendung von komplexen, nichtlinearen dynamischen Simulationen. Damit lassen sich für Ereignisse in Kernkraftwerken Abläufe ermitteln, die für die Festlegung von Handlungsprozeduren geeignet sind.

60th year atw: Kernenergiediskussion im Wandel - Die nukleare Kontroverse hat sich verlagert

Redaktion

Die öffentliche Kernenergie-Diskussion ist nicht mehr auf die Sicherheit der Kernkraftwerke zentriert. Die weltweit gute Sicherheitsstatistik und die jahrelange Informationstätigkeit über die Sicherheitstechnik der Kernkraftwerke haben hier einen Fortschritt gebracht, auch wenn alle Störfälle weiterhin mit großem Engagement diskutiert werden.

In den Vordergrund der öffentlichen Auseinandersetzungen rückt jedoch seit 1976 das Gebiet der Entsorgung. Wiederaufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe und Lagerung radioaktiver Abfälle folgen den Kernkraftwerken mit zeitlichen Verschiebungen.

Für beide Bereiche wurde in einer langen Vorbereitungszeit technisches und betriebliches Know-how gesammelt, das jetzt für den großtechnischen Einsatz bereitsteht. Für den gesamten Entsorgungskomplex existiert ein umfassendes Konzept der Bundesregierung, das es jetzt gilt, mit der Industrie in die Praxis umzusetzen. Vordringlichste Aufgabe im Dialog mit dem Bürger ist es, über Umfang und Qualität der Problemlösungen zu informieren und klarzumachen, daß auch hier die Sicherheit des Biozyklus Leitlinie aller Überlegungen ist.

Investitionen in Deutschlands kerntechnisches Know-how können international willkommen sein

John Shepherd

Auf der internationalen Fachkonferenz Annual Meeting on Nuclear Technology (AMNT 2015) im Mai in Berlin äußerste sich ein wichtiger Vertreter der Bundesregierung mit sehr interessanten Aspekten.

Thorsten Herdan, Abteilungsleiter „Energiepolitik – Wärme und Effizienz“ im (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie – BMWi), unterstrich die hohe national und international anerkannte und geschätzte Kompetenz der deutschen kerntechnischen Industrie. Zu recht stellte er fest, dass diese technischen Kompetenzen des Landes jetzt und künftig erforderlich sind, obgleich Deutschland mit der politisch beschlossenen „Energiewende“ aus der Kernenergienutzung aussteige.

Dabei ist das Engagement der kerntechnischen Industrie zu Know-how-Erhalt sowie Ausbildung und Schulung einer neuen Generation von Experten eine Selbstverständlichkeit. Dabei sollten Regierungen unabhängig von ihrer Einschätzung der Kernenergienutzung die Aufrechterhaltung und Entwicklung von Kompetenzen in diesem Bereich fördern. Bei der Industrie werden Regierungen sicher kompetente und offene Partner für ein konstruktives Zusammenwirken finden.