Themen im Mai 2015:
Sicherer Langzeitbetrieb von Reaktordruckbehältern
Gleitringdichtungen in Reaktorumwälzpumpen von SWR
Brandschutzkonzeptanpassung beim Rückbau
Forschungsreaktorbrennelemente: Wiederaufbereitungs- und Recyclingoptionen
KKW Betriebsergebnisse 2014
Bruno Comby, Umweltschützer und Gründer der Nichtregierungsorganisation „Environmentalists for Nuclear“ nahm in einem Interview mit NucNet Stellung zur Frage „Weshalb werden Risiken der Kernenergie ‚stark übertrieben‘“. Er stellte fest, dass es der Anti-Atom-Lobby gelungen sei, die Wahrnehmung einer sehr sicheren Technology in eine mit massiven Problemen behaftete zu verkehren. Lubomir Mitev von Nuc Net sprach in dem Interview zudem Fragen des Risikos, der ionisierenden Strahlung sowie das ‚Problem‘ mit dem Umgang mit radioaktiven Abfällen an.
Bruno Comby ist ausgebildeter Ingenieur der Ecole Polytechnique und der Ecole Nationale Supérieure de Techniques Avancées de Paris. Er gründete „Environmentalists For Nuclear“ in 1996.
Jenny Roudén, Hieronymus Hein, Johannes May, Tapio Planman, Patrick Todeschini, Milan Brumovsky, Antonio Ballesteros, Ferenc Gillemot, Rachid Chaouadi, Pal Efsing und Eberhard Altstadt
Diese Veröffentlichung fasst analysierte Rahmenbedingungen für den Langzeitbetrieb (LTO: long term operation) europäischer Kernkraftwerke zusammen und liefert Empfehlungen für die Überwachung der Reaktordruckbehälter(RDB)-Bestrahlung. Grundlage ist ein Vorhaben im Rahmen des Arbeitspakets 7 „Überwachungsrichtlinien“ des internationalen LONGLIFE-Projekts. Das „Treatment of Long Term Irradiation Embrittlement Effects in RPV Safety Assessment“ wurde zu 50 % mit Mitteln des 7. Euratom-Rahmenprogramms der Europäischen Kommission gefördert. Folgende, spezifische wissenschaftliche und technische Fragestellungen werden in dieser Veröffentlichung behandelt:
Das Ziel der Überwachungs-Leitlinien ist es, die potenziellen Anwender (Kernkraftwerksbetreiberunternehmen, Kernkraftwerke, Forschungseinrichtungen, etc.) bei der Auswahl einer geeigneten Strategie und geeigneten technischen Ansätzen für die RDB-Bestrahlungsüberwachung für den LTO zu unterstützen. Dies soll einen Beitrag liefern, um eine zuverlässige Überwachung der langfristigen Auswirkungen der Bestrahlung von RDB zu gewährleisten. Zudem sollen die europäischen Bemühungen zur Harmonisierung der Verfahren für die Reaktordruckbehälter-Überwachung sowie deren Sicherheitsbewertung bei LTO unterstützt werden.
Gerard van Loenhout und Jürg Hurni
Die Reaktorumwälzpumpe fördert eine große Menge an heißem, hochreinem Wasser aus dem Reaktordruckgefäß zurück zum Reaktorkern. Die Umwälzung erfolgt mittels Strahldüsen im Inneren des Behälters. Zusammen mit den Strahldüsen ermöglichen sie es dem Betriebspersonal die Kühlmittelmenge zu regulieren. Eine Drehzahlregelung der Reaktorumwälzpumpen ist die optimalste und zuverlässigste Regelung. Ein eventuelles technisches Problem mit einer Umwälzpumpe, wie zum Beispiel ein Versagen der Gleitringdichtung, kann zur Folge haben, dass das Kraftwerk heruntergefahren werden muss, um die erforderliche Reparatur vornehmen zu können.
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der deutlichen Abnahme der Gleitringsdichtungstandzeit der Reaktorumwälzpumpe, bedingt durch die erhebliche Zunahme von Kriechströmen. Diese Phänomen trat auf nach der Installation eines Frequenzumformers als Ersatz für die urspünglich verwendete Motor-Generator-Regelung. Weiterhin wird sich der Beitrag auch mit den Laborergebnissen einer 2.500 Stunden dauernden Testreihe befassen. In dieser Testreihe wurde die neue Gleitringdichtungstechnologie unter realen Reaktorumwälzbedingungen getestet. Die neue Gleitringdichtungstechnologie wurde entwickelt, um die Herausforderungen zu meistern, welche beim Abdichten von hochreinem Wasser auftreten.
Darüber hinaus beschreibt der Beitrag die aufwendige Wellenerdung und die vorläufigen Messergebnisse, welche implementiert wurden, um mögliche Schäden an Pumpe und Gleitringdichtung zu vermeiden.
Ulrike Feldmann
Die EU-Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten wurde 2014 – nach drei vorhergehenden Änderungen zwischen 1985 und 2010 und einer Zusammenführung aller Änderungen in der EU-UVP-Richtlinie 2011/92 – nach kontroversen Diskussionen erneut geändert. Diese neue EU-UVP-Richtlinie 2014/52/EU (im Folgenden RL 2014/52) ist im Amtsblatt der EU L 124 S. 1 vom 25.04.2014 veröffentlicht, trat am 15. Mai 2014 in Kraft und ist bis zum 16.05.2017 in nationales Recht umzusetzen. Die vorgenommenen Änderungen gelten von Ausnahmen abgesehen auch für Genehmigungsverfahren (einschließlich Stilllegungsverfahren für Kernkraftwerke) im Bereich der Kernenergie, sofern sie möglicherweise erhebliche Umweltauswirkungen haben. Das 30-jährige „Jubiläum“ der europäischen UVP-Richtlinie am 27.06.2015 ist Anlass zu fragen, was sich mit dem neuen EU-UVP-Recht demnächst ändern wird.
Insgesamt sieht es also so aus, als ob Behörden und Industrie mit der neuen EU-UVP-Richtlinie zurecht kommen werden. Im zuständigen Bundesumweltministerium wird an einem ersten Vorentwurf gearbeitet. Überlegt wird, das UVP-Gesetz über die vom EU-Recht geforderten Anpassungen hinaus einer Gesamtrevision zu unterziehen. Es bleibt also weiterhin spannend im UVP-Recht.
Maxi Mummert und Anke Traichel
Durch den politischen Beschluss, die Nutzung der Kernenergie zu beenden, steigt die Zahl der Rückbauprojekte im kerntechnischen Bereich in den nächsten Jahren deutlich an. Im Zuge des Rückbaus werden die baulichen Strukturen und anlagentechnischen Maßnahmen zum Brandschutz stetig verändert, wodurch das bestehende Brandschutzkonzept der Anlage einer permanenten Anpassung unterzogen werden muss. Diese Anpassung beruht auf der Erstellung von Brandlastlisten und der Durchführung von Sicherheitsanalysen. Bisher wird diese Anpassung manuell durchgeführt, was einen hohen Zeit- und Personalaufwand erfordert. Mit Hilfe des adaptiven Brandschutzdesigns soll der Übergang zu EDV-gestützten Brandschutz erfolgen, um die Anpassung des Brandschutzes zu optimieren. Dieses adaptive Brandschutzdesign ermöglicht mit Hilfe eines Softwaretools die elektronische Aufnahme der Brandlastlisten, die automatische Durchführung von Sicherheitsanalysen und die Vereinfachung der Rückbauschritte hinsichtlich des Brandschutzes.
Sandor Miklos Tozser, Pablo Adelfang, Ed Bradley, Madalina Budu und Mustapha Chiguer
Internationale Aktivitäten zum Backend des Brennstoffkreislaufs von Forschungsreaktoren (FR) werden bisher dominiert von Rücknahmeprogrammen der Staaten, die ursprünglich den Brennstoff (hoch) angereichert haben. Diese Programme werden in Kürze ihre Ziele erreicht haben und die Rücknahmeprogramme für abgebrannte Brennelemente werden entsprechend auslaufen. Der weitere Betrieb der Forschungsreaktoren wird mit schwach angereichertem Brennstoff erfolgen. Damit werden auch in Zukunft genutzte Brennelement anfallen und der Umgang mit diesen verbleibt als wichtige Aufgabe. Vor diesem Hintergrund erstellt die IAEO auf Grundlage von langjährigen und umfassenden Erfahrungen einen Bericht zu möglichen Optionen für die Wiederaufarbeitung und Rückführungsstrategien dieses Brennstoffs.
Diese Arbeit gibt einen Überblick der in Arbeit befindlichen IAEO Guideline, die alle Aspekte der Wiederaufarbeitung und Rückführung von Kernbrennstoff aus Forschungsreaktoren umfasst. Eingeschlossen sind Empfehlungen als Entscheidungshilfe für die Optionen zum Umgang mit den Brennelementen, der zugehörigen Logistik, den Transportverpackungen und den Optionen für jeweilige Transportwege und -mittel.
Herbert Maaßen
Die KRAFTWERKSSCHULE E.V. (KWS) führte vom 24. bis 25. September 2014 die „Rückbau 2014“ durch. Es handelte sich um die erste Rückbautagung mit Ausstellung im anlagentechnisch voll ausgestatteten Kernkraftwerk Zwentendorf. Die Aussteller konnten hier ihre Produkte in realer Kernkraftwerksumgebung an Originalkomponenten platzieren, vorführen und testen, die Besucher bekamen einen Gesamteindruck der vor Ort Bedingungen. In den Vorträgen wurde der Rückbauverlauf einer aktuellen Rückbauanlage geschildert, praxisnah Problemstellungen im Rückbaugeschäft behandelt und Lösungsmöglichkeiten empfohlen. Die Veranstaltung hat einen maßgeblichen Einfluss, um durch einen intensiven Dialog mit Erfahrungs- und Wissensaustausch, zu einem umfangreichen Erfahrungs- und Wissensaufbau beizutragen.
Karl-Heinz Berg und Jochen B. Fechner
Kerntechnische Anlagen müssen bei allen Sicherheitsüberlegungen als Mensch-Maschine-System behandelt werden, da der Mensch als Liveware mindestens gleichrangige Bedeutung für die Gewährleistung der Sicherheit hat wie Hardware und Software. Der Bundesminister des Innern Ist bemüht, dieser Erkenntnis für die Praxis der kerntechnischen Sicherheitsmaßnahmen stärkeres Gewicht zu geben. Dazu müssen Hardware und Software nach arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen verbessert und der Qualifikation des Betriebspersonals sowie der von den Behörden zugezogenen Sachverständigen verstärkte Bedeutung zugemessen werden.
John Shepherd
Seit Anfang des Jahres hat die japanische Regierung unter Ministerpräsident Shinzo Abe intensiv am Energiekonzept gearbeitet, mit dem eindeutigen Ergebnis, dass die Unterstützung für die friedliche Nutzung der Kernenergie in Japan keineswegs aufgegeben wird und von der politischen Agenda des Landes verschwindet, wie es manche Kreise gerne zu vermitteln versuchen. Daher lohnt sich ein Blick auf den Energiesektor Japans und die aktuellen Entwicklungen.
Der interessanteste Teil des „politischen Puzzles“ in Japan wurde vom Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie (METI) beigetragen. Wie das Japan Atomic Industrial Forum (JAIF) berichtet, sieht das METI in seinem neuen strategischen Energieplan vor, den Anteil der erneuerbaren Energien am nationalen Energiemix im Jahr 2030 auf mehr als 20 Prozent zu erhöhen. Dabei sollen die „Grundlast“-Energiequellen, einschließlich der Kernenergie, Wasserkraft, Kohle und Geothermie, laut METI und Abes regierender Liberal-Demokratischen Partei einen Beitrag zum Energiemix von etwa 60 % leisten. Dazu weist das JAIF darauf hin, da es schwierig ist Wasserkraft, Kohle und Geothermie weiter auszubauen, dass damit der Anteil der Kernenergie bei mehr als 20 % liegen werde – verglichen mit 29 % im Jahr 2010, d.h. vor den Ereignissen in Fukushima!
Im Land der aufgehenden Sonne scheint es möglicherweise doch wieder einen Silberstreif für die Kernenergie am Horizont zu geben. Es ist aber noch ein langer Weg. Der Weg wird vor allem nicht leicht sein, und sowohl Regierung als auch Industrie müssen mit größter Sorgfalt verfahren – auch und ganz wesentlich unter Berücksichtigung der öffentlichen Meinung.