atw - April 2015

Themen im April 2015:

Beschäftigungsbedarf kerntechnische Industrie
Human Resource Management Practices
Stilllegungs- und Rückbaukosten – Stiftungsmodell
Erweiterter Ermüdungsnachweis dehnungsinduzierter Risskorrosion
Fortgang des finnischen Projekts Hanhikivi

Politische und öffentliche Unterstützung fördert Fortgang des finnischen Projekts Hanhikivi

NucNet

Das finnische Energieversorgungsunternehmen Fennovoima plant den Bau des Kernkraftwerks Hanhikivi-1. Die Anlage basiert auf dem russischen Design des AES-2006, einem Generation III+ Druckwasserreaktor. NucNet interviewte den CEO von Fennovoima, Toni Hemminki, zu Fortschritten des Projektes, der öffentlichen Unterstützung sowie der Bedeutung des Know-hows aus Russland.

Der Einfluss des Langzeitbetriebs auf den Beschäftigungsbedarf der kerntechnischen Industrie

Ferry Roelofs und Ulrik von Estorff

Das European Human Resource Observatory for the Nuclear Energy Sector, kurz EHRO-N, ist auf Initiative des European Nuclear Energy Forum (ENEF) eingerichtet worden, um den Bedarf an Experten für den Nuklearsektor in den 28 EU-Mitgliedsstaaten (EU-28) sowie den möglichen neuen EU-Mitgliedsstaaten bis 2020 zu ermitteln. EHRO-N unterstützt die Europäische Kommission mit wichtigen Daten zu Bedarf und Ausbildung von Nuklearexperten auf Grundlage von Basisinformationen der kerntechnischen Industrie. Ziel ist die Einschätzung, wie sich der Bedarf an Experten im Nuklearbereich entwickeln wird und wie die EU-28-Staaten sowie die Beitrittskandidaten auf den Bedarf reagieren und diesem entsprochen werden soll.

Ziel der vorliegenden Analyse ist es, eine frühere Studie unter der Annahme fortzuschreiben, dass die Laufzeit von vielen Kernkraftwerken in Europa verlängert wird. Basis der früheren Studie waren zwei unterschiedliche Energieversorgungsszenarien, die in ihrem Bedarfsergebnis nicht erheblich voneinander abweichen. Daher bildet das „20 % Kernenergie-Szenario“ (mit Delayed CCS bezeichnet) der EU Energy Roadmap 2050 Grundlage für die aktuellen Studien.

Bewertungsmethode zur Analyse und Entwicklung von Human Resource Management Practices in der kerntechnischen Industrie

Eerikki Mäki, Krista Pahkin, S. Lindström und Anna-Leena Kurki

Die Umsetzung von Human Resource Management Practices (HRM) erfolgt häufig über eine HRM Abteilung in Verbindung mit leitenden Angestellten. Allerdings kann die Umsetzung von HRM damit durch die Vorgesetzten sehr unterschiedlich erfolgen. Beispielsweise kann bei den Betreffenden Wissen darüber fehlen, wie HRM in der Praxis umgesetzt wird oder Sie können selbst Zweifel hinsichtlich der Effizienz von HRM hegen.

Auf Grundlage von Studien, Interviews und Workshops in der kerntechnischen Industrie wurde eine Selbstbewertungsmethode für HRM im organisationsinternen Gebrauch entwickelt. Das Bewertungsverfahren wurde in einer Pilotstudie bei 4 Unternehmen der kerntechnischen Industrie angewandt. Nach ersten Analysen zeigt sich die Leistungsfähigkeit der Bewertungsmethode in der Diskussion zu HRM Practices, der HRM-Weiterentwicklung und dem Austausch von Wissen und Lernen zu HRM Practices.

Die Einführung des Leistungspunktesystems ECVET im kerntechnischen Sektor

Mihail Ceclan, César Chenel Ramos und Ulrik von Estorff

Als Teil der Einführung des Leistungspunktesystems ECVET (ECVET – European Credit System for Vocational Education and Training) im kerntechnischen Sektor hat das ECVET Team des European Human Resources Observatory for the Nuclear energy sector (EHRO-N) beim Institute for Energy and Transport (IET) des Joint Research Centre (JRC) der European Commission (EC) einen sektorbezogenen Ansatz für die Implementierung von ECVET in den Jahren 2009 bis 2014 entwickelt.

Für die Begleitung der Implementierung von ECVET war eine Anpassung der Maßnahmen und Werkzeuge für den kerntechnischen Sektor erforderlich. In diesem Beitrag werden Entwicklung und Umsetzung der Anpassungen des ECVET Ansatzes für den Kerntechnikbereich vorgestellt.

Bei den Anpassungen wurde insbesondere berücksichtigt, dass Qualifikationen im kerntechnischen Bereich meistens deutlich über dem Durchschnitt des European Qualifications Framework liegen (Stufe fünf oder darüber).

Internationale Verhandlungen mit dem Iran: Ein letzter Zwischenbericht?

Odette Jankowitsch-Prevor

Der am 24. November 2013 in Genf ausgearbeitete, am 12. Januar 2014 vom E3+3 und dem Iran angenommene, ab 20. Januar 2015 zeitbegrenzt auszuführende präzise formulierte „Joint Plan of Action“ kann aus heutiger Sicht als Beginn einer systematischen Aufarbeitung offener Fragen über das Iranische Atomprogramm verstanden werden, mit dem Ziel ein umfassendes Übereinkommen zu erreichen.

Zehn Jahre nach dem ersten IAEO Bericht über mögliches Ausmaß geheimer nuklearer Aktivitäten, verpflichtete sich der Iran spezifische Maßnahmen freiwillig durchzuführen, sein Atomprogramm nicht weiter zu entwickeln, Teile einzustellen und IAEO-Kontrollen in nie zuvor gestattetem Ausmaß zuzulassen.

Nach erfolgreicher Durchführung ausnahmslos aller im Joint Plan of Action (JPA) vorgeschriebenen Maßnahmen würde das Iranische Nuklearprogramm mit den Programmen aller Nicht-Nuklearwaffen Staaten des Atomsperrvertrags (NPT) gleich gestellt werden. Es galt ausschließlich eine alle Bedingungen umfassenden Lösung: „nothing is agreed until everything is agreed“.

Sicherstellung der finanziellen Entsorgungsvorsorge für die Stilllegungs- und Rückbaukosten der deutschen Kernkraftwerke – Rechtliche Randbedingungen eines Stiftungsmodells

Markus Schewe und Stefan Wiesendahl

Die Betreiber der deutschen Kernkraftwerke sind für die Kosten der Stilllegung und des Rückbaus, der Brennelemententsorgung sowie der Entsorgung sonstiger radioaktiver Abfälle finanziell verantwortlich. Dieser Verantwortung werden sie gegenwärtig dadurch gerecht, dass sie für die zu erwartenden Stilllegungs-, Rückbau- und Entsorgungskosten Rückstellungen bilden. Nach Angaben der Bundesregierung aus April 2014 summieren sich die zum 31.12.2013 gebildeten Rückstellungen auf etwa 36 Milliarden €.

Eine Änderung dieses Systems der finanziellen Entsorgungsvorsorge für die Stilllegungs- und Rückbaukosten der deutschen Atomkraftwerke wird immer wieder diskutiert. So kursierten im Mai 2014 Presseberichte über vermeintliche Pläne deutscher Energieversorgungsunternehmen, die deutschen kerntechnischen Anlagen nebst den existierenden Rückstellungen im Rahmen einer Stiftung auf den Bund zu übertragen und auf diese Weise das bestehende System der finanziellen Entsorgungsvorsorge für die Kernenergie grundlegend zu verändern (sog. Stiftungsmodell). Gelegentlich wird die RAG-Stiftung als Vorbild solcher Pläne benannt.

Der Artikel behandelt stiftungs- und atomrechtliche Randbedingungen für ein solches Vorgehen. Stiftungsrechtlich stellt sich etwa die Frage, ob eine Stiftung des öffentlichen Rechts oder des bürgerlichen Rechts in Betracht kommt und welche Unterschiede mit dieser Weichenstellung verbunden wären. Atomrechtlich sind Fragen der Zuverlässigkeit, Fachkunde und der personellen Betriebsordnung zu adressieren. Es zeigt sich, dass die deutsche Rechtsordnung Instrumente zur Verfügung stellt, die grundsätzlich genutzt werden könnten, um etwaige Pläne für eine Stiftung zu realisieren.

Ein erweiterter Ermüdungsnachweis zur Berücksichtigung der dehnungsinduzierten Risskorrosion

Paul Wilhelm, Paul Steinmann und Jürgen Rudolph

Ermüdungsversuche im Labor werden häufig mit einfachen trapez-, dreieck- und sinusförmigen Signalen gefahren. Allerdings erfährt eine reale Komponente im Anlagenbetrieb einen komplexen Belastungsverlauf (drehende Hauptspannungsrichtung …), der zudem durch Phasen mit konstanter Beanspruchung (Haltezeit) unterbrochen ist. Versuche in wässrigem Medium zeigen, dass die Schädigung von betriebsähnlichen Belastungsverläufen bzw. Versuche mit Haltezeiten den negativen Einfluss des Umgebungsmediums positiv beeinflussen.

In dieser Studie wird eine neue Nachweisführung vorgeschlagen, um die dehnungsinduzierte Risskorrosion bei Primärkomponenten von Druck- und Siedewasserreaktoren zu berücksichtigen. Dafür wird die gegenwärtig verwendete Methodik als Grundlage verwendet und all die Zyklen separat bewerte, die mit realitätsnahen Ermüdungsversuchen vergleichbar sind. Wie die Ergebnisse zeigen, lässt sich der Vorschlag in die regelwerkskonforme Nachweisführung integrieren und der Gesamtermüdungsgrad reduzieren.

60th year atw: Die IAEO bereitet sich auf ihre Kontrollaufgaben vor

Hans-Hilger Haunschild

Erwartungsgemäß stand auf der 15. Generalkonferenz der IAEO in Wien die Sicherheitskontrolle im Mittelpunkt. Sie wurde sachlich und ohne Polemik behandelt. Sie wird in Zukunft die Hauptaufgabe der IAEO sein. Daneben muß die Technische Hilfe die zweite vorrangige Aufgabe werden. Hier ist die BRD, die schon jetzt zu den Ländern mit dem höchsten Beitrag gehört, zu verstärkter Beteiligung bereit.

Der Vertrag über die Nichtverbreitung (NV) von Kernwaffen, der am 5. März 1970 mit der Ratifizierung durch 40 Staaten in Kraft trat, ist inzwischen von 98 Staaten unterzeichnet worden, von denen 66 ihn auch bereits ratifiziert haben. Auf Grund der im Vertrag enthaltenen Fristen müssen rund 50 Länder bis Ende Februar 1972 Vereinbarungen über die in dem Vertrag vorgesehenen Sicherheitskontrollen abschließen. Es war daher zu erwarten, daß die XV. Generalkonferenz der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO, 21. bis 27. September 1971, Wien) im Zeichen der Überwachungsmaßnahmen nach dem NV-Vertrag stehen würde.

Deutschland erhöht den Druck auf Fessenheim – aber ist die „Energiewende“ tatsächlich allwissend?

John Shepherd

Im Deutschen existiert für jene, die meinen alles besser zu wissen die Umschreibung „Besserwisser“, im Englischen als ‘smart aleck’ bezeichnet. „Besserwisser“ sind auch Teil von Politik, insbesondere dann, wenn sie die Fakten außer Acht lassen, da die unbequemen Wahrheiten die Illusion des „Besserwissers“ zu zerstören drohen. Ein aktuelles Beispiel ist ein Brief der deutschen Umweltministerin Barbara Hendricks an ihre französische Amtskollegin Ségolène Royal. Gegenstand ist die Stilllegung des französischen Kernkraftwerks Fessenheim.

Der Inhalt des Schreibens zeigt, das es Deutschland nicht ausreicht national aus der Kernenergie auszusteigen mit aller vorhandenen Expertise, sondern auch den Kernenergieausstieg in Nachbarländern durchzusetzen.

Hendricks erkennt zwar an, dass Entscheidungen zu Fessenheim souveräne Entscheidungen Frankreichs sind; aber warum gibt man sich dann die Mühe, einen solchen fordernden Brief zu verfassen?