Internationale Organisationen auf dem Gebiet der Kernenergie
Dezember 2013
Die Verkündung des „Atoms-for-Peace“- Programms durch US-Präsident Dwight D. Eisenhower vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 8. Dezember 1953 und die Erste Atomenergie-Konferenz in Genf 1955 weckten weltweit große Erwartungen in diese neuartige Energieform, waren aber zugleich begleitet vom Bewusstsein der außerordentlichen Gefahren, die mit der Kernspaltung verbunden sind. So wurden noch im selben Jahrzehnt drei internationale Institutionen gegründet, die einerseits die breite Nutzung der Kernenergie fördern, andererseits aber einen Missbrauch verhindern und Schäden durch Radioaktivität vermeiden helfen sollten: Die Internationale Atomenergieagentur (IAEA), die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) und die Kernenergie- Agentur (NEA) der OECD, befassen sich mit der Gesamtheit des Einsatzes der Kernenergie.
Daneben besteht eine Reihe von fachlich spezialisierten Organisationen, deren Schwerpunkt bei der Reaktor- und Anlagensicherheit oder beim Strahlenschutz liegt.
Während jeder Staat autonom über Einsatz oder Nicht-Einsatz der Kernenergie entscheidet, ist es von jeher Zielsetzung der internationalen Zusammenarbeit, Wissen und Erfahrungen zu teilen und eine möglichst weitgehende Angleichung der gültigen Standards und Sicherheitsanforderungen zu erreichen. Das Bewusstsein, dass Radioaktivität nicht an Landesgrenzen Halt macht und dass die öffentliche Meinung auch durch Vorkommnisse in fernen Ländern mitgeprägt wird, wie die Reaktorunfälle von Harrisburg (USA), Tschernobyl (damalige Sowjetunion) und Fukushima (Japan) gezeigt haben, hat die Intensität der internationalen Zusammenarbeit weiter erhöht.
Internationale Organisationen auf dem Gebiet der Kernenergie
Internationale Atomenergieagentur
- Autonome technisch-wissenschaftliche
Organisation mit besonderem Status innerhalb des Systems der Vereinten
Nationen mit eigener Mitgliedschaft
- gegründet am 29. Juli 1957 mit Sitz in Wien
- 159 Staaten sind Mitglieder der IAEA (Stand 12/2013), darunter Deutschland seit 1957
- Organe: Generalsekretär, Gouverneursrat, Generalversammlung
- Zielsetzung:
„Atoms for Peace“, d. h. Förderung der friedlichen Nutzung der
Kernenergie, Verhinderung der Weiterverbreitung von Atomwaffen
- Die
IAEA berichtet der jährlichen Vollversammlung der UN und bei Verstößen
gegen den Atomwaffensperrvertrag dem Weltsicherheitsrat
Europäische Atomgemeinschaft
- Eigenständige internationale
Organisation neben der EU, teilt mit ihr aber sämtliche Organe, vor
allem die Kommission, den Rat, das Europäische Parlament und den
Gerichtshof. Die exekutivischen Tätigkeiten von Euratom sind in die
Generaldirektionen der Europäischen Kommission integriert. Der Rat
beschließt über Gesetzgebung in den Euratom zugewiesenen Bereichen. Das
Europäische Parlament hat im Rahmen von Euratom nur eine beratende
Funktion und keine Mitentscheidung. Im Rat werden Euratom-
Angelegenheiten in der Arbeitsgruppe „Atomic Question Group“ behandelt
und für die Ratsentscheidung vorstrukturiert.
- Gegründet am 25.
März 1957 durch die Römischen Verträge zwischen Frankreich, Italien, den
Beneluxstaaten und der Bundesrepublik Deutschland
- Mitglieder: Alle Mitgliedstaaten der EU
- Im
Gegensatz zu IAEA und OECD ist Euratom ein Staatenverbund mit
originären Kompetenzen, die im Gründungsvertrag von 1957 niedergelegt
sind, und hat auf bestimmten Gebieten die Kompetenz, Verordnungen und
Richtlinien zu erlassen, verbindliche Entscheidungen an Mitgliedstaaten
zu richten und erforderlichenfalls Vollstreckungs- und
Sanktionsmaßnahmen zu treffen.
- Die Beziehungen zwischen Deutschland und Euratom werden vom Bundeswirtschaftsministerium koordiniert.
- Zielsetzung:
„Aufgabe der Atomgemeinschaft ist es, durch die Schaffung der für die
schnelle Bildung und Entwicklung von Kernindustrien erforderlichen
Voraussetzungen zur Hebung der Lebenshaltung in den Mitgliedstaaten und
zur Entwicklung der Beziehungen mit den anderen Ländern beizutragen.“
(Euratom-Vertrag, Artikel 1)
Kernenergie-Agentur der OECD
- Spezielle Agentur in der Organisation
for Economic Co-operation and Development (OECD), einer internationalen
Organisation von Industrieländern
- Gegründet im Februar 1958 als
„European Nuclear Energy Agency (ENEA)“, mit Sitz in Paris. 1972
umbenannt in OECD Nuclear Energy Agency.
- Mitglieder sind 31
Industrieländer Europas, Nordamerikas und der Asiatisch-Pazifischen
Region, seit kurzem auch Russland. Auf diese Länder entfallen ca. 90 %
der weltweit installierten Kernkraftwerksleistung.
- Die
Bundesrepublik Deutschland ist Gründungsmitglied. Die Beziehungen zur
NEA werden durch das Bundeswirtschaftsministerium koordiniert.
- Organe: Generaldirektor, Steering Committee for Nuclear Energy
- Zielsetzung:
Unterstützung der Mitgliedsländer bei der Erhaltung und
Weiterentwicklung der wissenschaftlichen, technologischen und
rechtlichen Basis für eine sichere, umweltfreundliche und
wirtschaftliche Nutzung der Kernenergie für friedliche Zwecke.
Erarbeitung eines gemeinsamen Verständnisses bei Schlüsselfragen als
Input für Regierungsentscheidungen.
- Die Organe der NEA berichten an den Council (Rat) der OECD.
Europäische Gruppe der Regulierungsbehörden für nukleare Sicherheit
- Beratungsgruppe der Europäischen
Kommission auf dem Gebiet der Sicherheit kerntechnischer Anlagen und der
sicheren Entsorgung abgebrannter Brennelemente
- gegründet 2007 durch Beschluss des Rates der EU
- Das Sekretariat der ENSREG wird von der Europäischen Kommission gestellt.
- Mitglieder sind hochrangige Vertreter der Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten und der Kommission
- Die deutschen Vertreter werden vom BMU benannt.
- Zielsetzung:
ENSREG „berät und unterstützt die Kommission ... bei der schrittweisen
Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses und schließlich ergänzender
europäischer Regelungen auf den Gebieten a) Sicherheit kerntechnischer
Anlagen und b) Sicherheit abgebrannter Brennelemente und radioaktiver
Abfälle“ (aus dem Einsetzungsbeschluss vom 27.07.2007)
Verband westeuropäischer Regulierungsbehörden
- Beratungsgremium der Regulierungsbehörden der Kernenergie betreibenden EU-Staaten und der Schweiz
- gegründet 1999
- Mitglieder
sind die Leiter der Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden von 16
EU-Staaten sowie der Schweiz; Vertreter von neun weiteren Staaten (die
keine Kernenergie betreiben) haben Beobachterstatus
- Deutschland
wird durch den Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit im
Bundesumweltministerium vertreten. Die Gesellschaft für Anlagen- und
Reaktorsicherheit (GRS) leistet fachliche Zuarbeit für WENRA.
- Zielsetzung
ist, die Sicherheit kerntechnischen Einrichtungen in der EU zu fördern
und weiterzuentwickeln. Ein Schwerpunkt ist dabei die Harmonisierung der
nationalen kerntechnischen Regelwerke, um ein gleichmäßig hohes
europäisches Sicherheitsniveau zu gewährleisten.
Weltverband der Kernkraftwerksbetreiber
- Unabhängiger Zusammenschluss der Kernkraftwerksbetreiber weltweit als Folge des Tschernobyl-Unfalls
- gegründet im Mai 1989; regionale Zentren in Atlanta, Moskau, Paris und Tokio, Koordinierungszentrum in London
- Mitglieder sind sämtliche Kernkraftwerksbetreiber der Welt.
- Organe sind der Chairman, der Managing Director, das Biennial General Meeting
- Zielsetzung
ist, den verantwortungsvollen, sicheren Betrieb der Kernkraftwerke
weltweit zu gewährleisten und permanent zu verbessern.
Wissenschaftlicher Ausschuss der Vereinten Nationen zur Untersuchung der Auswirkungen radioaktiver Strahlung
- Wissenschaftlicher Ausschuss, von der Generalversammlung der UN eingesetzt und von den UN finanziert
- gegründet 1955; Sitz des Sekretariats ursprünglich in New York, seit 1974 in Wien
- Mitglieder sind Experten, die von anfangs 15, jetzt 27 von der UN-Generalversammlung ausgewählten Staaten benannt wurden.
- Deutschland ist seit 1973 beteiligt. Das Bundesamt für Strahlenschutz bestimmt die deutsche Delegation.
- UNSCEAR
tagt einmal jährlich. Der vom UN-Generalsekretär ernannte Sekretär, dem
ein wissenschaftliches Sekretariat zur Seite steht, koordiniert die
laufenden Arbeiten. Administrativ ist UNSCEAR eng verzahnt mit dem
Umweltprogramm der UN (UNEP).
- UNSCEAR berichtet an die
Generalversammlung der UN, die auch über ihre Arbeitprogramme
beschließt. Inhaltlich ist UNSCEAR unabhängig.
- Zielsetzung:
UNSCEAR erfasst die globalen Niveaus ionisierender Strahlung und ihre
Auswirkungen. UNSCEAR liefert die wissenschaftliche Basis für den
Strahlenschutz. Ihre Berichte sind ein wichtiger Input für andere
internationale Organisationen (IAEA; ICRP; Weltgesundheitsorganisation
WHO).
Internationale Strahlenschutzkommission
- Unabhängige internationale gemeinnützige
Nichtregierungsorganisation von Fachleuten aus Wissenschaft und Politik
auf dem Gebiet des Strahlenschutzes, finanziert durch laufende
Zuschüsse von Organisationen, die ein Interesse am Strahlenschutz haben
- gegründet 1928; Sitz in Ottawa, Kanada
- über 200 persönliche Mitglieder aus 31 Nationen
- Deutsche Ansprechpartner sind das Bundesamt für Strahlenschutz und das Helmholtz Zentrum München.
- Organe
sind die Hauptkommission, die Kommissionen für Strahlenwirkungen, für
Dosimetrie von Strahlenexpositionen, für Strahlenschutz in der Medizin,
für die Umsetzung der ICRP-Empfehlungen und für Umweltschutz sowie das
wissenschaftliche Sekretariat.
- Die Arbeit der ICRP hat zum Ziel,
durch Berichte und Empfehlungen die wissenschaftlichen Erkenntnisse im
Strahlenschutz zum Nutzen der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt
umzusetzen.